„Sag mir, kannst du dein Antlitz sehen?“ „Nein, denn das Auge sieht sich nicht als nur im Widerschein durch andre Dinge“. Wir sollten sehr genau überlegen, welche Gesichter unsere Identität bestimmen, denn das wird das Leben maßgeblich beeinflussen.
Psalm 1,5-6
Der Weg der Gerechten führt freigesprochen aus dem Gericht und immer in die Gemeinschaft der Heiligen.
Psalm 1,4
Die Frage im Hinblick auf die richtende Funktion ist also: Sind wir schwer genug für den Trennungsvorgang, der durch den Heiligen Geist gewirkt wird? Im Hebräischen wird für die Herrlichkeit Gottes der Begriff kabod verwendet. Zum Beispiel im Bezug auf den Tempel (vgl. Hesekiel 43,2-5). Die wörtliche Bedeutung dieses Begriffes wäre Schwere oder Gewicht. Die Herrlichkeit Gottes kann dementsprechend unserem Leben die notwendige Schwere geben, damit wir nicht wie Spreuch weggeweht werden, sondern die Schwere von Körnern haben. Im Moment der Wiedergeburt werden wir Teil des Tempels Gottes, weil durch den Heiligen Geist Gott in uns wohnt.
Psalm 1,3
Die Gnade Gottes macht uns lebendig. Wie genau sie das tut, bleibt ein Geheimnis. Fest steht aber, dass wir Frucht bringen sollen und zur Ehre Gottes gepflanzt worden sind. Seine pflanzende Gnade befähigt zu einem fruchtbringenden Leben.
Psalm 1,2
„Das Gesetz hat für mich keine Bedeutung mehr, denn durch Jesus bin ich frei von den lästigen Geboten.“ Solche pauschalen Aussagen sind mindestens gefährlich, denn sie führen uns in die Gefahr, dass wir der Botschaft vom Kreuz die Bedeutung rauben. Denn das Evangelium will nicht zu der Erkenntnis leiten, dass die Sünde plötzlich keine Sünde mehr ist und alles relativ wird. Das ist nicht das Erbe der Reformation, sondern eher das Erbe der Aufklärung mit der Loslösung von der Autorität Gottes.
Psalm 1,1
Der Psalm beginnt mit dem hebräischen Begriff ‚ašrê. Er steht im Plural: Glückseligkeiten. Direkt wird eine Steigerung verdeutlich, geradezu ein überschwänglicher Einstieg. Der Begriff beginnt zudem mit dem ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets, dem Aleph. Als ob uns der Schreiber dieser Zeilen hineinnehmen möchte in die Gefühle des menschlichen Lebens, aber direkt zu Beginn deutlich machen will, trotz aller menschlicher Gefühle ist ein Leben voller Glückseligkeiten möglich. Psalm 2 endet mit einer vergleichbaren Seligpreisung. Viele Ausleger gehen davon aus, dass Psalm 1 und Psalm 2 ursprünglich zusammengehörten. In dem Fall deutet sich geradezu eine Rahmung der Glückseligkeiten an.
Knechte Jesu Christi
Die Frage richtet sich daher auch an uns: Gehören wir im Leib Christi zur Knecht-Fraktion, die am Wohl des anderen interessiert sind, oder geht es uns noch zu sehr um die eigene Bequemlichkeit und eigenen Vorteil nach dem Motto: „Hauptsache um mich kümmert sich jemand!“ Die Gemeinde Jesu ist kein Selbstbedienungsladen, sondern ein Selbstaufgabeladen, wo wir lernen, dass wir weniger im Zentrum des Universums stehen, als wir oftmals denken.
Was es Hesekiel erleichterte, diese Berufung anzunehmen, war, dass sie aus der überwältigenden Begegnung mit Gott kam (vgl. Hesekiel 1). Nur weil er von der Macht, der Majestät und der Herrlichkeit Gottes absolut überzeugt war, hatte er ausreichend Kraft und Mut, sich gegen die stechende Ablehnung der Menschen zu behaupten und treu beim Wort Gottes zu bleiben.
Der Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung lässt sich also in diesem Satz zusammenfassen: Die einzigen Sünden, die wir in unserem Leben mit Christus besiegen können, sind vergebene Sünden. Es gibt einen zwingend notwendigen Vorrang der Begnadigung vor der Macht. Wenn wir den Sieg über bestimmte Sünden erlangen wollen, müssen wir das freudige Vertrauen haben, dass diese Sünden durch unsere Verbindung mit Christus bereits vergeben sind. Die Zuversicht, dass es keine Verdammnis mehr gibt, muss dem Kampf der Verwandlung vorausgehen und ihn befähigen.
Damit begegnen wir einem der vielleicht größten Herausforderungen in der Verkündigung des Evangeliums in Deutschland. Wenn das von uns proklamierte Angebot gegenüber den Menschen die Vergebung der Sünden ist, dann ist dieses Angebot völlig uninteressant, wenn ich keine Probleme mit Sünde sehe und keine Lösung für nötig halte.