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Bibelauslegung

Psalm 1,3

Die Gnade Gottes macht uns lebendig. Wie genau sie das tut, bleibt ein Geheimnis. Fest steht aber, dass wir Frucht bringen sollen und zur Ehre Gottes gepflanzt worden sind. Seine pflanzende Gnade befähigt zu einem fruchtbringenden Leben.

Komplexe Situationen oder Fragestellungen führen häufig zu Streit. Zu beobachten in der jüngeren Vergangenheit am Umgang mit dem Coronavirus oder im Krieg um die Ukraine. Unterschiedliche Expertenmeinungen treffen aufeinander, sodass sich die verschiedenen Lager mit ihren Positionen im Recht fühlen.

Psalm 1,3 kann uns zu einer Auseinandersetzung mit einem großen Streitthema innerhalb der christlichen Glaubensgemeinschaft führen. Es geht um den Anteil des einzelnen Menschen an seiner Errettung. 

Glücklich ist, wer nicht dem Rat gottloser Menschen folgt, wer nicht mit Sündern auf einer Seite steht, wer nicht mit solchen Leuten zusammensitzt, die über alles Heilige herziehen, sondern wer Freude hat am Gesetz des HERRN und darüber nachdenkt – Tag und Nacht. Er ist wie ein Baum, der nah am Wasser gepflanzt ist, der Frucht trägt Jahr für Jahr und dessen Blätter nie verwelken. Was er sich vornimmt, das gelingt.

Psalm 1,1-3

Erwähnt wird ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt worden ist. Es handelt sich also offensichtlich nicht um einen wilden Baum, sondern der Standort des Baumes ist bewusst ausgewählt worden, sodass die Pflanzung stattfinden konnte. Damit könnte man bereits einen Einstieg in die Frage nach der Erwählung Gottes wagen. Wie lässt sich in der Errettung eines Menschen die Souveränität Gottes und die Verantwortung des einzelnen Menschen zusammenbringen. Haben wir es mit einer Vorherbestimmung Gottes zu tun oder können wir doch von einem freien Willen des Menschen ausgehen?

Zwei Systeme, die man beispielsweise gegenüberstellen könnte, sind der Calvinismus und der Arminianismus. Beide Perspektiven kann man in fünf Punkten voneinander abgrenzen.

Der Calvinismus geht von einer völligen Verderbtheit des Menschen aus, der Arminianismus von einer teilweisen Verderbtheit. Die eine Seite geht davon aus, dass der Mensch völlig von der Sünde befleckt ist, sodass kein Kontakt mit Gott aufgenommen werden kann. Der Arminianismus würde widersprechen. Dann gibt es noch den Gegensatz der bedingungslosen Erwählung und der Erwählung mit Bedingung. Hier geht es um das Thema Vorwissen. Oder die Perspektiven begrenzte Versöhnung und unbegrenzte Versöhnung. Also für wen ist Jesus eigentlich gestorben? Der Streitpunkt unwiderstehliche Gnade oder widerstehliche Gnade stellt die Frage, ob der Ruf Gottes zurückgewiesen werden kann. Zuletzt gibt es die Perspektiven Beharrlichkeit der Heiligen oder Bedingte Erlösung, verbunden mit der Frage, ob der Gläubige sich wieder von Gott abwenden kann.

Zwischen diesen Perspektiven gibt es wieder Abstufungen und Vermischungen, die sich dann in anderen Systemen finden lassen. Natürlich ist es wichtig und gut, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und ein Streben zu entwickeln, der Wahrheit immer näher zu kommen. Doch gleichzeitig müssen wir auch anerkennen, dass wir häufig daran scheitern, das Unerklärliche erklären zu wollen. Ja, Gott ist souverän. Ja, Menschen werden zu einer Entscheidung berufen. Dieser Konflikt wird häufig auch beschrieben durch die Vorstellung vom Eingang des Himmels. Auf der Vorderseite kann man auf dem Tor lesen „Kehr um und glaube dem Evangelium“. Wenn man durchgeht und sich umdreht, kann man lesen: „Erwählt vor Grundlegung der Welt“. 

Zurück zu Vers 3 in Psalm 1 können wir zumindest mit Sicherheit sagen, dass Rettung durch Gnade zu einem Leben der Frucht führt. Der fruchtbringende Baum ist in der Bibel oft ein Bild für Segen und Wohlgefallen Gottes. Die Bäche sind möglicherweise eine Anspielung auf die künstlichen Wassergräben aus dem Zweistromland. Sie ermöglichten eine hervorragende Ernte auf den angrenzenden Feldern. Der Baum bringt die Frucht zu seiner Zeit. Hier scheint es sich um ein Zitat aus Jeremia zu handeln.

Er ist wie ein Baum, der nah am Bach gepflanzt ist und seine Wurzeln zum Wasser streckt: Die Hitze fürchtet er nicht, denn seine Blätter bleiben grün. Auch wenn ein trockenes Jahr kommt, sorgt er sich nicht, sondern trägt Jahr für Jahr Frucht.

Jeremia 17,8

Der angesprochene Zeitpunkt der Frucht ist die Erntezeit. Diese Zeit kommt nicht unmittelbar nach der Pflanzung. Manchmal braucht es etwas Geduld und das Durchleben eines Prozesses, bevor die Frucht sichtbar wird. Dieser Gedanke ermahnt uns zur Vorsicht beim Urteil über andere Menschen. Gleichzeitig gilt aber auch die Wahrheit, dass ein Baum ohne Frucht sich offensichtlich in einem gefährlichen und ungesunden Zustand befindet. 

Und dann erzählte Jesus ihnen dieses Gleichnis: »Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt. Jahr für Jahr sah er nach, ob der Baum Früchte trug. Aber vergeblich! Endlich rief er seinen Gärtner: ›Schon seit drei Jahren komme ich immer wieder und schaue nach Früchten, aber ich finde keine. Hau den Baum um. Warum soll er den Boden weiter aussaugen?‹ Aber der Gärtner bat: ›Herr, lass ihn noch ein Jahr stehen! Ich will den Boden um den Baum herum noch einmal umgraben und ihn gut düngen. Wenn er dann Früchte trägt, ist es gut; sonst kannst du ihn umhauen.‹

Lukas 13,6-9

Die Gnade Gottes macht uns lebendig. Wie genau sie das tut, bleibt ein Geheimnis. Fest steht aber, dass wir Frucht bringen sollen und zur Ehre Gottes gepflanzt worden sind. Seine pflanzende Gnade befähigt zu einem fruchtbringenden Leben. Solche Früchte erkennen wir immer wieder im Neuen Testament.

Dagegen bringt der Geist Gottes in unserem Leben nur Gutes hervor: Liebe, Freude und Frieden; Geduld, Freundlichkeit und Güte; Treue, Nachsicht und Selbstbeherrschung. Ist das bei euch so? Dann kann kein Gesetz mehr etwas von euch fordern!

Galater 5,22-23

Ihr aber seid ein von Gott auserwähltes Volk, seine königlichen Priester, ihr gehört ganz zu ihm und seid sein Eigentum. Deshalb sollt ihr die großen Taten Gottes verkünden, der euch aus der Finsternis befreit und in sein wunderbares Licht geführt hat.

1 Petrus 2,9

Im Alten Testament ist das Verwelken ein Symbol für Gericht und Tod. Hier geht es aber um Frucht und Leben. Eine Jenseitshoffnung für den gottesfürchtigen Menschen wird sichtbar. Er lebt in den Ordnungen Gottes und wird nicht Gericht und Tod verfallen. Seine Gnade pflanzt uns und macht uns fruchtbar. Es ist eine Gnade, die per Definition auch umgestaltet.

Denn Gottes Gnade ist sichtbar geworden, mit der er alle Menschen retten will. Sie bringt uns dazu, dass wir uns von aller Gottlosigkeit und allen selbstsüchtigen Wünschen trennen, stattdessen besonnen und rechtschaffen hier in dieser Welt leben, so wie es Gott gefällt.

Titus 2,11-12