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Theologie

Johannes Chrysostomos – Teil 6

Jeder Gläubige ist in den Missionsauftrag hineingenommen und soll im Gottesdienst Stärkung durch die Gegenwart Gottes und die ermutigende Gemeinschaft erleben, sodass die Mission für das Reich Gottes im Alltag umgesetzt werden kann. Der Gläubige verlässt dementsprechend nach dem Gottesdienst nicht mehr die Kirche, sondern gemeinschaftlich macht sich die Versammlung der Gläubigen nach dem Gottesdienst als Kirche auf den Weg in die Welt.

Wie bereits im letzten Blogbeitrag angekündigt, soll in diesem 6. Teil zum Leben und Wirken des Johannes Chrysostomos ausgehend von der kurzen Beschreibung der Liturgie im letzten Beitrag herausgearbeitet werden, wie die Eucharistie den Anteil des Gläubigen an der Sendung Christi begründet. In der Liturgie des Johannes Chrysostomos werden wichtige missionstheologische Aspekte erkennbar.

Das orthodoxe Verständnis von missionarischem Leben ist durch die göttliche Eucharistie zu verstehen, welche Zentrum und Höhepunkt der Göttlichen Liturgie darstellt. In der Eucharistie wird der Gläubige durch Aufnahme von Brot und Wein mit Christus vereint und hat somit auch Anteil an seiner Sendung. Dieses mystische Geschehen bildet die Grundlage des orthodoxen Missionsverständnisses. Diese Anteilhabe an der Sendung des Christus wird durch den Apostel Johannes im 1. Johannesbrief beschrieben.

Wer sagt, daß er in ihm bleibt, der ist verpflichtet, auch selbst so zu wandeln, wie jener gewandelt ist.

1. Johannes 2,6; SCH2000

Wer in Christus bleibt und mit ihm Gemeinschaft hat, der ist auch in den Missionsauftrag des Christus mit hineingenommen und wandelt in der Ausführung dieser Mission in den Spuren des Gottessohn. Der rumänisch-orthodoxe Missionstheologe Ion Bria hat dieses Missionsverständnis ausgehend von der Eucharistie im orthodoxen Gottesdienst ausführlich herausgearbeitet.

„Die darauffolgende Eucharistie vergegenwärtige das Christusgeschehen und weise in den Rhythmus von Sammlung und Sendung ein, was sich an der liturgischen Funktion der Diako-ne erkennen lasse, die die Gaben austeilen. Damit werde die Eucharistie zur Quelle sowohl des Lebens der Kirche als auch ihrer Mission und solle als eine Liturgie nach der Liturgie von Christen im Alltag gelebt werden. Mission hat nach Bria demnach ihren Ort im gottes-dienstlichen Geschehen der Kirche. Ihr Geltungsbereich jedoch geht darüber hinaus ins Universale, da es in bestimmten Sinne um die Vereinigung des Göttlichen und des Irdischen in der Kirche geht, …“

Wrogemann, Henning. „Missionstheologien der Gegenwart. Globale Entwicklungen, kontextuelle Profile und ökumenische Herausforderungen.

Zu dieser Sendung in die Welt ist das Aussendungswort der Liturgie des Chrysostomos entscheidend. Die Gemeinde soll das Erfahrene mit in den Alltag nehmen. Damit wird die Missionstätigkeit bewusst vor allem in die Hände der Laien gelegt, welche durch einen evangeliumsgemäßen Lebensstil Licht in der Welt werden und damit ihren Anteil an der Sendung des Christus verwirklichen. Diese Aussendung in die Welt ist für den in der Orthodoxie verwurzelten Gedanken der „Liturgie nach der Liturgie“ entscheidend. Die Aussendung der Gläubigen soll keinesfalls als ein Hinaustreten aus der Kirche verstanden werden, sondern primär als ein Hineintreten der Kirche in die Welt. Die Liturgie endet in diesem Sinne nicht mit den Handlungen im Gottesdienst sondern wird auf andere Art und Weise durch das Hineintreten in die Welt fortgeführt. In diesem Sinne ist auch das Antidoron zu verstehen, welches die Gläubigen als Pilgerbrot am Ende des Gottesdienst ausgeteilt bekommen und ihnen Stärkung für die Fortsetzung der Liturgie im Alltag zuteilwerden lassen soll. So wird jeder Gottesdienst auch zu einem Aussendungsgottesdienst, bei welchem die Gläubigen aufgefordert werden, durch Gebet, Lebensführung und diakonische Ertüchtigung Verantwortung für die Mission zu übernehmen. So bekommt die Aussendung zur Liturgie nach der Liturgie eine individualethische und eine sozialethische Bedeutung. Die Gläubigen sind dazu herausgefordert mit ihrer Lebensweise auf Christus hinzuweisen und sich immer wieder neu zu orientieren. Gleichzeitig sind die Gläubigen aber auch beauftragt, Menschen in Not zu unterstützen und der Ungerechtigkeit entgegenzutreten.

Es zeigt sich, dass die Feier der Eucharistie den Gläubigen in die Sendung des Christus hineinnimmt und unter diesem Aspekt in jedem Gottesdienst der orthodoxen Kirchen eine Aussendung in die Welt stattfindet. Die im Gottesdienst verankerte Symbolik und Liturgie soll den Gläubigen laufend ihren missionarischen Auftrag verdeutlichen. Es wird deutlich, dass die missionarische Tätigkeit vor allem in die Hände der Laien gelegt wird und diese durch den Gottesdienst in ihrer Sendung bestätigt und ausgerüstet werden sollen.

Hieraus lässt sich eine Handlungsempfehlung insofern ableiten, dass wir nicht nur zu besonderen Anlässen Menschen in Gottesdiensten in die Mission aussenden und sie für diesen Auftrag segnen, sondern dass wir jeden Gottesdienst als einen Sendungsgottesdienst zur Liturgie nach der Liturgie begreifen. Jeder Gläubige ist in den Missionsauftrag hineingenommen und soll im Gottesdienst Stärkung durch die Gegenwart Gottes und die ermutigende Gemeinschaft erleben, sodass die Mission für das Reich Gottes im Alltag umgesetzt werden kann. Der Gläubige verlässt dementsprechend nach dem Gottesdienst nicht mehr die Kirche, sondern gemeinschaftlich macht sich die Versammlung der Gläubigen nach dem Gottesdienst als Kirche auf den Weg in die Welt.


Lienemann-Perrin, Christine. „Mission und interreligiöser Dialog.“

Wrogemann, Henning. „Missionstheologien der Gegenwart. Globale Entwicklungen, kontextuelle Profile und ökumenische Herausforderungen.“