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Nachfolge

Wohlstand und das Evangelium

Keller verdeutlicht an dieser Stelle, dass die Evangeliumsbotschaft den Menschen von falschen Ambitionen und der zu engen Bindung an irdischen Besitz befreien kann und soll. Denn wenn Gläubige die Erkenntnis gewinnen, dass sie noch nicht in ihrer wahren Heimat angekommen sind, wird ihre Konzentration nicht darauf liegen, Schätze in dieser Weltzeit zu sammeln, sondern für die kommende Weltzeit.

Das Evangelium ist zunächst einmal eine gute Nachricht davon, dass der Mensch aus einer ausweglosen Situation gerettet worden ist. Damit ist es primär keine Aufforderung an uns Menschen, etwas zu tun, sondern es ist zunächst eine Information über etwas, das bereits getan wurde und nach einer dann folgenden Reaktion unsererseits verlangt. Durch die Sünde Adams ist die Schöpfung von Gott getrennt (Gen 3,1-19). Die Schuld der Sünde muss gesühnt werden und Jesus Christus, Gott selbst, kommt als Mensch in diese Welt und stirbt sündlos stellvertretend am Kreuz (Mk 10,45). Christus hat den Tod durch die Auferstehung am dritten Tag besiegt und macht allen Menschen das Angebot der Umkehr und Hinwendung zu ihm im Glauben. Durch diese Hinwendung zu Christus verändert sich der Status des Menschen, welcher vom Tod ins Leben übergeht (1 Joh 3,14). Dem Menschen wird in der Hinwendung zu Christus das ewige Leben verheißen, welches dem Gläubigen eine neue Heimat bei Christus in der Ewigkeit öffnet (Joh 3,16).

Das Evangelium verspricht jedoch keinen materiellen Segen, wie es durch Verkündigung des Wohlstandsevangeliums häufig suggeriert wird. Dabei wird die Evangeliumsverheißung regelmäßig mit den Segnungen gleichgestellt, welche Gott im abrahamitischen Bund Abraham, dem Stammvater Israels, verheißen hat (Gen 12-15). Eine solche Gleichsetzung führt jedoch zu der Überzeugung, dass Wohlstand und unternehmerischer Erfolg als Kennzeichen der eigenen Errettung betrachtet werden dürfen. Umgekehrt betrachten sich Arme oder gescheiterte Unternehmer*innen auch im Glaubensleben gescheitert und in Sünde lebend. Hier entsteht jedoch eine Fehleinschätzung und es kann zu geistlicher Verkümmerung kommen, da die Bibel ein solches Kennzeichen für die Rechtfertigung des Menschen nicht kennt. Das Wort Gottes verspricht den Gläubigen kein erfolgreiches und wohlhabendes Leben. Der Segen Abrahams, der in dem gläubig gewordenen Menschen sichtbar wird, ist vielmehr der Empfang des Heiligen Geistes durch den Glauben (Gal 3,14). Die Verheißung bezieht sich zudem nicht auf Ländereien und Besitztümer in der aktuellen Weltzeit, sondern blickt auf die Verheißung der kommenden Weltzeit, in der Gott den Gläubigen die neue Schöpfung als Heimat zur Verfügung stellen wird (Offb 21-22).

Durch die Auferstehung hat Jesus sich als Herr über den Tod gezeigt und damit auch die Verheißung von einem neuen Himmel und einer neuen Erde bekräftigt, die den Gläubigen nach der Auferstehung als wahre Heimat dienen wird. Dieses Bild der neuen Heimat ist wesentlicher Bestandteil der oben beschriebenen Evangeliumsbotschaft. Christus selbst hat sich entäußert und seine Heimat aufgegeben (Phil 2,6-7), damit der Mensch die Möglichkeit hat, in seine Heimat zu gelangen. Die Auswirkung der Botschaft einer neuen Heimat zeigt sich wiederum in einer Form des Heimwehs, die eine neue Perspektive auf das Leben ermöglicht.

„Dieses Wissen um unsere wahre Heimat hält uns fern von Götzendienst und falschen Bindungen.“

Keller, Timothy. Center Church: Kirche in der Stadt.

Keller verdeutlicht an dieser Stelle, dass die Evangeliumsbotschaft den Menschen von falschen Ambitionen und der zu engen Bindung an irdischen Besitz befreien kann und soll. Denn wenn Gläubige die Erkenntnis gewinnen, dass sie noch nicht in ihrer wahren Heimat angekommen sind, wird ihre Konzentration nicht darauf liegen, Schätze in dieser Weltzeit zu sammeln, sondern für die kommende Weltzeit (Mt 6,19-21; 1 Joh 2,15-17). Hieran anknüpfend lässt sich eine Gefahr von Wohlstand erkennen, denn mit Wohlstand geht schneller die Haltung einher, sich an den wirtschaftlichen Erfolg zu binden. Diese Gefahr verdeutlicht Jesus im Markusevangelium:

Es ist leichter, dass ein Kamel durch das Nadelöhr geht, als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt.

Markus 10,25

Auch Wrogemann (2013:147) weist auf die Kenose Christi hin, welche Kernbestandteil des Evangeliums sei. Die christliche Mission müsse der Sendung Christi folgen. Jesus hat sich in seiner Mission bewusst dazu entschieden, das Schicksal der Armen und Unterdrückten zu teilen. Die Kirche solle sich demnach nicht nur an die Seite der Armen stellen, sondern vielmehr sich seiner Macht und Stärke entäußern, um Teil der Mission Christi sein zu können. Es handelt sich also um eine Mission der Entäußerung und des Verzichtens auf Machtansprüche. Christen, die in vergleichsweise reichen Ländern leben, stehen immer wieder neu vor der Herausforderung nach Wegen zu suchen, Entäußerung und Verzicht zu praktizieren. Dieser Weg erfordert immer wieder neue Entscheidungen, Selbstreflexion und auch ein gewisses Maß an Kreativität.


Keller, Timothy. „Center Church: Kirche in der Stadt.“

Horton, D. A. „Wohlstandsevangelium. Neun Erkennungsmerkmale.“