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Theologie

Das Gewissen

Wenn sich also unser Gewissen bemerkbar macht, kann es uns in ganz wesentlichen Schritten dienen. Zunächst führt es uns zu einer Reflexion über den Willen Gottes. In dieser Reflexion erkennen wir, dass wir immer wieder an den Ansprüchen Gottes scheitern und seine Gnade brauchen. Das Erleben der göttlichen Gnade bewirkt eine Herzensveränderung, die sich in einem veränderten Handeln ausdrückt. Das Gewissen ist also ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.

Vor einiger Zeit ging ich mit einer Küchenarbeitsplatte in einen Baumarkt. Ich hatte die Arbeitsplatte einige Tage vorher erworben und beim Baumarkt abgeholt. Doch Zuhause stellte sich heraus, dass die Platte nicht korrekt zugeschnitten wurde. Also musste sie nochmal zurück in den Zuschnitt-Service des Baumarkts. Nachdem die Platte dann das zweite Mal zugeschnitten wurde, machte ich mich auf den Weg zur Kasse. Während ich mich auf die Kasse zubewegte, realisierte ich, dass mir ein ungünstiger Fehler unterlaufen war. Natürlich hätte ich mir am Eingang bestätigen lassen müssen, dass ich die Platte mitgebracht hatte. Jetzt stand ich vor der Kasse und konnte nicht nachweisen, dass der Artikel auf meinem Wagen bezahlt ist. Ich versuchte nun also ganz locker und selbstbewusst an der Kasse vorbeizugehen, schließlich war es ja meine Platte, die bereits bezahlt war. Dennoch machte sich mein Gewissen bemerkbar und die Situation war mir irgendwie unangenehm. Es dauerte auch nicht lange, bis sich eine Dame an der Kasse mit der Frage bemerkbar machte, was ich vorhabe. Es folgten diverse Erklärungsversuche und Nachweisversuche meinerseits. Letztlich konnte ich anhand des Kaufbelegs glaubhaft versichern, dass die Platte bereits bezahlt ist. Wenn ich so darüber nachdenke, kann ich die Kassiererin sehr gut verstehen. Natürlich musste sie mich aufhalten. Sie kann sich ja nicht einfach darauf verlassen, dass ich ein ehrlicher Mensch bin.

Was mich zum Nachdenken bringt, ist mein schlechtes Gewissen an der Kasse. Eigentlich war es nicht wirklich notwendig, schließlich war die Küchenarbeitsplatte bereits bezahlt. In Römer 2, 14-16 schreibt Paulus:

Obwohl die anderen Völker Gottes Gesetz nicht haben, gibt es unter ihnen doch Menschen, die von sich aus danach leben. Daran zeigt sich, dass sie Gottes Gebote in sich tragen, auch wenn sie diese gar nicht kennen. Durch ihr Handeln beweisen sie, dass die Forderungen des Gesetzes in ihre Herzen geschrieben sind. Das wird ihnen durch ihr Gewissen und auch durch ihre Gedanken bestätigt, die sie entweder anklagen oder freisprechen. All dies ist den Menschen jetzt noch verborgen, aber es wird einmal sichtbar und offenkundig werden, und zwar an dem Tag, an dem Gott durch Jesus Christus die Menschen richten wird. So bezeugt es die rettende Botschaft, die ich verkünde.

Römer 2, 14-16; HfA

Paulus schreibt hier, dass jeder Mensch in gewisser Weise ein göttliches Gesetz in sich trägt. Der Mensch kann in gewisser Weise zwischen Gut & Böse unterscheiden. Ein Gespür für das Richtige scheint jedem Menschen mitgegeben zu sein. Ich las vor einiger Zeit von einem Experiment an der Universität Yale mit sechs- bis zehnmonatigen Kindern. Man zeigte ihnen eine Situation, in der eine rosafarbene Holzfigur zweimal daran scheitert, einen steilen Berg hinaufzusteigen. Nach den Fehlversuchen kommt ein gelbes Dreieck dazu und schiebt die rosafarbene Figur bis zum Gipfel des Berges. Plötzlich aber kommt ein blauer Würfel und schubst die rosafarbene Figur zurück in den Abgrund. Nach dieser Szene durften die Kinder auswählen, welche Figur sie greifen möchten. Erstaunlicherweise wählten fast alle Kinder das gelbe und hilfsbereite Dreieck.

Obwohl dieses innere Gesetz in unserem Inneren zum Teil verdeckt ist oder sich durch Ignoranz irgendwann nicht mehr wirklich bemerkbar macht, attestiert die Bibel uns doch dieses inneres Gesetz, dass uns zur Unterscheidung von Gut & Böse leitet. Das Gewissen macht uns immer wieder aufmerksam auf dieses Gesetz. Unsere Gedanken klagen uns an oder sprechen uns frei. Dabei ist das Gewissen nicht die objektive moralische Norm. Es scheint vielmehr die Aufgabe zu haben, uns auf Gottes moralische Norm hinzuweisen. Eigentlich eine sehr nützliche und gute Sache. So hat sich auch in der Baumarktsituation mein Gewissen bemerkbar gemacht und mich zu einer Reflexion meines Handelns geführt. Dabei bedeutet ein schlechtes Gewissen nicht immer auch, dass ich tatsächlich etwas Falsches tue. Es führt mich aber ganz häufig in die Auseinandersetzung mit der Frage, was dem Willen Gottes entspricht und was nicht.

Paulus kommt im Römerbrief zu dem Schluss, dass jeder Mensch vor Gott schuldig ist. Da sind zum einen die Menschen, die das Gesetz Gottes kennen. Sie kennen den Willen Gottes durch die Schriften, aber handeln offensichtlich nicht konsequent danach. Zurecht kann man in ihrem Fall von einer Schuld gegenüber dem Schöpfergott sprechen. Aber was ist auf der anderen Seite mit den Menschen, die Gott und seine Gebote nicht kennen? Hier sagt Paulus eben, dass auch in ihnen ein göttliches Gesetz zu finden ist, an dem sie sich orientieren sollten. Auch diese Menschengruppe wird gegenüber dem Schöpfergott schuldig, da jeder Mensch immer wieder bewusst gegen dieses innere Gesetz handelt. Der Apostel verdeutlicht also, dass jeder Mensch schuldig ist. Von dieser Bankrotterklärung ausgehend kann sich der Mensch für die Schönheit der rettenden Botschaft öffnen. Wir finden die Evangeliumsbotschaft in großer Klarheit in Römer 1, 16-17.

Ich schäme mich nicht für die rettende Botschaft. Denn sie ist eine Kraft Gottes, die alle befreit, die darauf vertrauen; zuerst die Juden, aber auch alle anderen Menschen. Durch sie zeigt Gott, wie er ist: Er sorgt dafür, dass unsere Schuld gesühnt wird und wir mit ihm Gemeinschaft haben können. Dies geschieht, wenn wir uns allein auf das verlassen, was Gott für uns getan hat. So heißt es schon in der Heiligen Schrift: »Nur der wird Gottes Anerkennung finden und leben, der ihm vertraut.«

Römer 1, 16-17; HfA

„Es gibt gegenüber Christus nur zwei Beziehungen: die der Erlösung, die Paulus in 1, 16 beschreibt, oder die von 2, 16 – die des Verurteilten vor seinem Richter.“ (Francis A. Schaeffer)

Schaeffer. Allein durch Christus: Die zentralen acht Kapitel des Römerbriefs, 59.

Francis A. Schaeffer macht deutlich, dass es vor dem Gericht Gottes (vgl. Apostelgeschichte 17, 31 & Hebräer 9, 27) im Grunde genommen nur zwei Sitzplätze gibt. Den Platz auf der Anklagebank oder den Platz auf der Zuschauerbank. Entscheidend für unseren Sitzplatz ist die Frage, ob wir Jesus Christus darum bitten, unseren Platz auf der Anklagebank stellvertretend für uns einzunehmen. Dieses Wunder der Gnade ist durch das Werk von Christus möglich und kann im Glauben angenommen werden.

Wenn sich also unser Gewissen bemerkbar macht, kann es uns in ganz wesentlichen Schritten dienen. Zunächst führt es uns zu einer Reflexion über den Willen Gottes. In dieser Reflexion erkennen wir, dass wir immer wieder an den Ansprüchen Gottes scheitern und seine Gnade brauchen. Das Erleben der göttlichen Gnade bewirkt eine Herzensveränderung, die sich in einem veränderten Handeln ausdrückt. Das Gewissen ist also ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.