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Nachfolge

Unternehmertum und Gleichnisse Jesu

Demnach zeigt sich in den Gleichnissen nie eine generelle Kritik am unternehmerischen Handeln. Vielmehr steht die Verdeutlichung des Lebens im Reich Gottes im Vorder-grund. Dazu werden oftmals Bilder aus der Wirtschaft verwendet, welche ungerechtes oder törichtes Handeln anhand ungerechter Unternehmer darstellen. Die Verwendung dieser Bilder ist aber kein Hinweis auf eine generelle Verdorbenheit des unternehmerischen Handelns, sondern kann allenfalls erneut als ein klarer Hinweis auf die Gefahr des unternehmerischen Handelns und des Wohlstandes gedeutet werden.

In diesem Blogbeitrag soll der Themenbereich Ökonomie, Wirtschaft und Wohlstand aus der Perspektive des Neuen Testamentes betrachtet werden. Hier ist zunächst ein ganz entscheidender Unterschied zwischen der Auslegung im Hinblick auf die wirtschaftliche Ordnung zwischen dem Alten und dem Neuen Testament zu erwähnen. Diesen Unterschied verdeutlicht Martin Honecker in Verbindung zu dem oftmals betonten prophetischen Mandat der Kirche in Anlehnung an die Sozial- und Herrschaftskritik der alttestamentlichen Prophetie. Honecker weist darauf hin, dass bei dieser Gleichsetzung vielfach nicht berücksichtigt wird, dass das Volk Israel eine geschlossene religiöse und politische Gemeinschaft gewesen ist. Hier lässt sich ein elementarer Unterschied zur Kirche ausmachen. Die sakrale Komponente hat in Israel das gesamte Leben und die Charakteristik des Volkes bestimmt. Diesen Zusammenschluss kennt das Neue Testament nicht, sondern betont eher eine Trennung zwischen Glaube und Politik (Mt 22,15-22). Es besteht zwar ein Vermittlungsauftrag für die Kirche, dennoch ist eine klare Unterschiedlichkeit zu den alttestamentlichen Verhältnissen des Volkes Israel erkennbar.

Wirtschaftlich ist die Zeit des Neuen Testamentes davon geprägt, dass Israel Teil des Römischen Weltreiches ist, in welchem die Wirtschaft durch Handwerk und Landwirtschaft geprägt gewesen ist. Ein deutlich anderes Gepräge im Vergleich zum Alten Testament ergibt sich vor allem durch die erhöhte Mobilität, die einen umfassenderen Wirtschafts- und Handelsraum zur Folge hatten. Zudem wurde die Wirtschaft durch lange Friedenszeiten und innere Ruhe im Römischen Reich gefördert. Weiterhin ist die Unterscheidung zwischen freien Bürgern und Sklaven für die damalige Zeit von großer Bedeutung.

Die neutestamentliche Perspektive soll sich in diesem Blogbeitrag zunächst auf die Gleichnisse Jesu als Grundlage konzentrieren. Jesus nutzt in vielen seiner Gleichnisse Gegebenheiten aus dem wirtschaftlichen Bereich, um die Botschaften hinter diesen Gleichnissen an seine Zuhörer zu vermitteln. Beispiele hierfür sind das Gleichnis der anvertrauten Talente (Mt 25,14-30), das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1-16) oder das Gleichnis des ungerechten Haushalters (Lk 16,1-8). Diese und weitere Gleichnisse zeigen, dass Jesus den wirtschaftlichen Bereich als ganz wesentlich anerkennt und daher auch auf die Wirkungsweisen dieses Bereiches bestätigend oder kritisch eingeht. Zudem deutet die häufige Verwendung wirtschaftlicher Begebenheiten in den Gleichnissen darauf hin, dass ihm die ökonomischen Zusammenhänge nicht unbekannt gewesen sind. Jesus und seine Jünger sind auf Geld und materielle Güter angewiesen gewesen, um sich täglich mit den lebensnotwendigen Dingen zu versorgen. Aus Lukas 8,1-3 ist darüber hinaus bekannt, dass sich Jesus durch seine Nachfolger*innen und insbesondere einige wohlhabende Frauen unterstützen ließ. Zudem hatte Jesus mit seinen Jüngern eine gemeinsame Kasse, die durch Judas Iskariot verwaltet wurde. Die Frage nach dem Geld und der Versorgung war für Jesus also täglich präsent und ökonomische Bilder und Themen lassen sich immer wieder in seinen Gleichnissen finden.

Der Versuch, eine christliche Wirtschaftsordnung aus dem Neuen Testament an-hand der Gleichnisse Jesu herzuleiten, ist trotz der vielfach verwendeten Bilder aus dem Bereich der Ökonomie jedoch nicht zielführend. Denn die Gleichnisse sind weniger von ihren konkreten wirtschaftlichen Bildern her auf eine Wirtschaftsordnung zu deuten, als dass eine Auslegung im Vordergrund stehen sollte, die sich darauf fokussiert, dass Jesus Bilder aus dem für die Zuhörer bekannten Lebensbereich der Wirtschaft verwendet hat, um immer wieder auf einleuchtende und verständliche Art und Weise auf die Andersartigkeit des Reiches Gottes hinzuweisen. Das Ziel Jesu ist es also primär gewesen, die Menschen auf das Reich Gottes und das Leben darin hinzuweisen. Dieses von Jesus verkündigte Reich Gottes folgt gewissen Regeln, die sich oftmals von den bekannten Wirkungsweisen des Alltags der Menschen unterscheiden. Ein besonders prägnantes Beispiel dafür ist das Gleichnis der Arbeiter im Weinberg, in welchem deutlich wird, dass die Barmherzigkeit und Großzügigkeit Gottes weit über das hinausgeht, was nach menschlichem Ermessen gerecht zu nennen wäre. Die Wirkungsweisen des Reiches Gottes werden durch die Gleichnisse immer wieder verdeutlicht. Dabei zeigt sich auch, dass das Leben im Reich Gottes natürlicherweise Auswirkungen auf das wirtschaftliche Verhalten der Christusnachfolger*innen haben sollte. Diese Auswirkungen zeigen sich aber in der Regel nicht durch die Befolgung konkreter ökonomischer Regeln oder die Aufrichtung gewisser Systeme. Das Reich Gottes als innerer Prozess (Lk 17, 21) verändert das Herz des Menschen nach der Begegnung mit Gott. Hier entsteht im ersten Schritt keine Umgestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse, sondern im Fokus steht zunächst die innere Einstellung des Menschen, die sich grundlegend verändert. Doch diese innere Veränderung wird zwangsläufig auch zu einer veränderten Handlungsweise der einzelnen Christusnachfolger*innen führen und dadurch wiederum auch Teil einer Veränderung äußerer Verhältnisse innerhalb einer Gesellschaft sein. Damit ist das Reich Gottes, welches in den Gleichnissen Jesu immer wieder konkretisiert wird, zugleich und zukünftig, da es eine Veränderung im Menschen bewirkt, welche sich anschließend auch immer stärker in äußeren Handlungen und Verhältnissen erkennen lässt. Die Veränderung des Menschen wird also auch Einfluss auf das Verhalten in Bezug auf wirtschaftliche Erwägungen und unternehmerisches Handeln haben. Bei Paulus zeigt sich dies in dem Brief Philemon, in dem es um das Verhältnis des Herren Philemon zu seinem entlaufenen und nun gläubig gewordenen Sklaven Onesimus geht. Die Empfehlungen, die Paulus ausspricht, sind sicherlich aus einer Haltung geboren, die durch die Lehre vom Reich Gottes geprägt ist. Dennoch sind seine Empfehlungen nie als Hinweis auf die Erwartung einer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umgestaltung zu verstehen.

„Paulus aber, das zeigt der Philemonbrief, kann und will auch nicht ausschließen, dass die Begegnung mit Gott, die metanoia, den Menschen so verändert, dass er auch sein Verhalten in Bezug auf wirtschaftliche und soziale Ordnungen überdenkt.“

Nutzinger, Hans G. Die Wirtschaft in der Bibel. Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge No. 59.

Die Gleichnisse über das Reich Gottes proklamieren zusammenfassend also keine neue soziale Ordnung, sondern die Wirkungsweisen und das Leben im Reich Gottes. Das Leben im Reich Gottes kann aber seine konkreten Auswirkungen durchaus darin zeigen, nach menschenwürdigen und angemessenen wirtschaftlichen und sozialen Strukturen zu suchen. So kann die Ausgestaltung des Reiches Gottes stückweise schon im hier und jetzt gesellschaftlich sichtbar werden.

Beim Gleichnis der Arbeiter im Weinberg zeigt sich eine geradezu wirtschaftlich ruinöse Vorgehensweise des Unternehmers bei der Verhandlung mit den Tagelöhnern. Bei dem Gleichnis der anvertrauten Talente geht es auch nur oberflächlich um wirtschaftlichen Profit. Der eigentliche Gedanke ist der Einsatz anvertrauter Ressourcen für die Zwecke Gottes und für die Gerechtigkeit. Ein unternehmerischer Beratungsansatz zeigt sich in den Gleichnissen nicht, sondern vielfach eher eine negative Sichtweise auf Unternehmer. Beispiele hierfür sind das Gleichnis des reichen Kornbauern (Lk 12,16-21), das Gleichnis des reichen Mannes und vom armen Lazarus (Lk 16,19-31), das Gleichnis des unbarmherzigen Gläubigen (Mt 18,23-35), das Gleichnis von den bösen Weingärtnern (Lk 20,9-16) oder das Gleichnis des ungerechten Haushalters (Lk 7,41-43). In diesen Gleichnissen wird der Unternehmer immer wieder als betrügerisch dargestellt, mit einem Hang zur Gewalt, Unterdrückung und Geldliebe. Beispielsweise zeigt sich beim reichen Kornbauern die Gefahr eines Unternehmers, der sich auf seinen Reichtum verlässt und unersättlich immer mehr Wohlstand sammeln möchte. Diese Gleichnisse lassen sich wie bereits oben verdeutlicht ebenfalls nicht zur Entwicklung einer neutestamentlichen Wirtschaftsordnung missbrauchen, dennoch können sie für eine unternehmerkritische Auslegung herangezogen werden, da von Jesus selbst immer wieder negative Eigenschaften und Verhaltensweisen unternehmerisch tätiger Personen als Bilder verwendet werden, um das Leben im Reich Gottes zu erklären. Dabei hinterfragt Jesus in den Gleichnissen immer wieder auch Praktiken und Vorgehensweisen, die ein unternehmerisch Tätiger aufgrund kaufmännischer Vernunft zur Anwendung bringen würde.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Jesus Bilder aus der Wirtschaft nutzte, weil diese Bilder die Lebensrealität Jesu und seiner Zuhörer trafen. Jesu Ziel ist die Darstellung der Prinzipien und Wirkungsweisen im Reich Gottes. Auch beim Gleichnis der anvertrauten Talente ist diese Zielsetzung erkennbar. Hier wird ein Herr beschrieben, der seinen Knechten finanzielle Ressourcen zur Verfügung stellt, während er selbst sich auf Reisen befindet. Nach seiner Rückkehr will er mit seinen Knechten abrechnen. Zwei Knechte haben unterdessen Gewinn erwirtschaftet und werden dementsprechend vom Herrn belohnt. Ein dritter Knecht hingegen hatte Angst vor einer Investition und entschied sich, die Ressourcen nur zu verbergen bis zur Rückkehr des Herrn. Ihm wird das Geld letztlich weggenommen und er wird für sein Verhalten getadelt. Dieses Gleichnis verdeutlicht ein Prinzip im Reich Gottes, nachdem es nicht ausreicht, inaktiv auf die Wiederkunft und die Vervollkommnung des Lebens im Reich Gottes zu warten. Vielmehr ist es die Aufgabe des gläubigen Menschen, in der Zeit seines irdischen Lebens mit den anvertrauen Gaben, die sich beispielsweise im materiellen Reichtum aber auch durch Fähigkeiten zeigen können, zu arbeiten. Dieser Gedanke zeigt sich konkret in der Aufforderung des Herren an seine Knechte.

Und er rief zehn seiner Knechte, gab ihnen zehn Pfunde und sprach zu ihnen: Handelt damit, bis ich wiederkomme!

Lukas 19,13

Das Gleichnis führt vor Augen, dass Gott von seinen Nachfolgern*innen Einsatz und nicht Trägheit erwartet. Er will, dass die von ihm zur Verfügung gestellten Gaben eingesetzt werden, um zu vermehren und Gutes zu tun. Jesus verwendet hier ein Gleichnis, in welchem die unternehmerisch aktiven und risikobereiten Knechte positiv hervorgehoben werden. Ein weiteres Gleichnis, in welchem die unternehmerische Kalkulationsfähigkeit als wichtige Eigenschaft markiert wird, ist das Gleichnis vom Turmbau und vom Krieg führen (Lk 14,28-33). Hervorgehoben wird die Weisheit, vor einem großen Bauprojekt eine Kalkulation anzustellen, damit das Geld nicht während der Bauausführung ausgeht. Das verwendete Bild nutzt Jesus, um darauf hinzuweisen, dass seine Nachfolger*innen ebenso kalkulieren müssen, ob sie für die Nachfolge bereit sind, oder frühzeitig aufgeben müssen. Der Blick auf diese Gleichnisse zeigt also, dass Jesus trotz der verwendeten Bilder nicht das Ziel hatte, unternehmerische Beratung zu geben oder ein Modell der idealen Wirtschafts- und Sozialordnung zu liefern. Ihm geht es um die Darstellung des Lebens im Reich Gottes, in welchem vielfach die wirtschaftlichen Prinzipien umgekehrt werden. Die Gleichnisse können also nicht ohne Weiteres für eine unternehmerkritische Haltung des Neuen Testamentes herangezogen werden. Gleichwohl wird deutlich, dass das Leben im Reich Gottes mit einer Herzensveränderung des Menschen zu tun hat, welche die Einstellungen der Gläubigen maßgeblich beeinflussen wird. Diese innere Veränderung wird sich nach außen in veränderten Handlungsweisen ausdrücken, welche auch das Streben nach einer gerechten und nachhaltigen Wirtschaftsordnung beinhalten können. Demnach zeigt sich in den Gleichnissen nie eine generelle Kritik am unternehmerischen Handeln. Vielmehr steht die Verdeutlichung des Lebens im Reich Gottes im Vordergrund. Dazu werden oftmals Bilder aus der Wirtschaft verwendet, welche ungerechtes oder törichtes Handeln anhand ungerechter Unternehmer darstellen. Die Verwendung dieser Bilder ist aber kein Hinweis auf eine generelle Verdorbenheit des unternehmerischen Handelns, sondern kann allenfalls erneut als ein klarer Hinweis auf die Gefahr des unternehmerischen Handelns und des Wohlstandes gedeutet werden.


Giesen, Rut von. „Ökonomie der Kirche? Zum Verhältnis von theologischer und betriebswirtschaftlicher Rationalität in praktisch-theologischer Perspektive.“

Grünwaldt, Klaus. „Wirtschaft und Geld – biblische Perspektiven.“

Honecker, Martin. „Grundriss der Sozialethik.“

Nutzinger, Hans G. „Die Wirtschaft in der Bibel. Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge No. 59.“

Rienecker, Fritz. „Das Evangelium des Lukas.“

Rienecker, Fritz. „Das Evangelium des Matthäus.“