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Storytelling, die Methode der Bibel

Die gesamte Bibel zeigt Gottes Hang zur Geschichte. Das Wort Gottes besteht hauptsächlich aus drei literarischen Gattungen: Erzählungen, Poesie, argumentative Texte. Etwa 75% der Texte sind Erzählungen, 15% besteht aus Poesie und nur etwa 10% sind Lehrtexte. Die Briefe von Paulus sind überwiegend logisch, linear und argumentativ aufgebaut. Aber ohne ihren Bezug zu den biblischen Geschichten kann die paulinische Theologie in der Tiefe nicht verstanden werden.

Seit einigen Jahren liebt die Kommunikationsbranche das Wort Storytelling. Das hat auch einen guten Grund. Denn der Zugang zu Informationen ist heute so leicht wie nie und damit geht die große Herausforderung einher, die Aufmerksamkeit von Menschen zu gewinnen. Aber das Gewinnen der Aufmerksamkeit reicht nicht, wenn wir sie nach kurzer Zeit wieder verlieren, ohne unsere Botschaft ausreichend kommuniziert zu haben.

Soziale Medien fördern in beeindruckender Art und Weise die schnelle und fragmentierte Kommunikation. Schlagworte, Hashtags und Bilder ersetzen lange Texte. Das Ringen um die Aufmerksamkeit von Menschen ist das wichtigste Gut in einer Informationsgesellschaft. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Kommunikationsprofis Techniken suchen und perfektionieren, um Botschaften zum Durchbruch zu verhelfen. Dabei scheint Storytelling in seinen vielen Facetten seit jeher der beste Weg zu sein. Storytelling funktioniert einmalig gut, wenn es darum geht, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Außerdem trägt gutes Storytelling zu einem besseren Verständnis bei.

Der Erfolg beim Storytelling zeigt sich beispielsweise in der Arzt-Patienten-Kommunikation. Werden Krankheitsbilder und Therapien mit Geschichten vermittelt, zeigt sich ein deutlich besseres Verständnis bei den Patienten. Medizinstudenten mit einer Storytelling-Ausbildung zeigen beispielsweise im Umgang mit Demenzkranken einen besseren Zugang zu ihren Patienten. 

Stories funktionieren. Das zeigt die Erfolgsgeschichte der Stories bei Instagram oder das Format TikTok. Es zeigt uns die Macht der kurzen Geschichte, die unsere Aufmerksamkeit fesselt.

Kein Wunder also, dass auch Jesus Geschichten genutzt hat, um seine Aussagen geschickt bei seinen Zuhörern zu platzieren. Seine Gleichnisse waren elementarer Teil seiner Verkündigung und damit stand er durchaus in der Tradition der Rabbiner, für die es nicht unüblich war, in Form von Geschichten zu erklären. Daher sind Geschichten nicht gleichzusetzen mit einer seichten oder intellektuell mangelhaften Ausführung. Sie sind Kennzeichen guter Kommunikation, die uns zu durchdachten Aussagen führen kann. 

All das sagte Jesus der Menschenmenge in Form von Gleichnissen; sie fehlten in keiner seiner Predigten. So sollte sich erfüllen, was Gott durch seinen Propheten angekündigt hatte: Ich werde in Gleichnissen zu ihnen reden. Geheimnisse, die seit Weltbeginn verborgen waren, will ich ihnen enthüllen.

Matthäus 13,34-35

Das Gleichnis vom „Barmherzigen Samariter“ oder vom „Verlorenen Sohn“ sind überragende Geschichten, die ihren Reiz für manche Christen nicht deshalb verloren haben, weil es schlechte Geschichten sind, sondern weil wir sie bereits sehr oft gehört haben.

Die gesamte Bibel zeigt Gottes Hang zur Geschichte. Das Wort Gottes besteht hauptsächlich aus drei literarischen Gattungen: Erzählungen, Poesie, argumentative Texte. Etwa 75% der Texte sind Erzählungen, 15% besteht aus Poesie und nur etwa 10% sind Lehrtexte. Die Briefe von Paulus sind überwiegend logisch, linear und argumentativ aufgebaut. Aber ohne ihren Bezug zu den biblischen Geschichten kann die paulinische Theologie in der Tiefe nicht verstanden werden. 

Gott offenbart sich durch Geschichten. Denn unser Gott ist vor allem eine Person. Er ist ein persönlicher Gott, der Beziehung zu den Menschen sucht. Wenn wir das verstanden haben, dann begreifen wir auch, warum das Alte Testament aus so unglaublich vielen historischen Erzählungen besteht. Einen Gegenstand wie ein Regal lernt man durch eine Montageanleitung kennen. Einen Wasserkocher lernt man durch eine Gebrauchsanweisung kennen. Eine andere Person lernt man auf diesem Weg aber nicht kennen. Wir lernen Menschen richtig kennen, indem wir uns ihre Geschichte anhören. Wir alle hören uns Geschichten von Menschen an, die uns wirklich interessieren, notfalls auch illustriert durch Fotoalben. 

Deshalb haben die Juden keine Montageanleitung über ihren Gott verfasst, sondern sie haben Geschichten von ihrem Gott erzählt. Die Bibel ist keine Gebrauchsanweisung, sie ist keine Montageanleitung. Sie ist vielmehr ein Fotoalbum, sie ist ein Geschichtsbuch.

Das Bekenntnis des Konzils von Nizäa-Konstantinopel, welches die wichtigsten Überzeugungen des christlichen Glaubens enthält, ist erstaunlicherweise in großen Teilen eine Geschichtserzählung. 

Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden, ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein. Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, christliche und apostolische Kirche. Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. Amen.

Nicäno-Konstantinopolitanum

Das zentrale Bekenntnis des christlichen Glaubens ist zunächst einmal die Geschichte von Gott mit dem Menschen. Deswegen ist es von großer Bedeutung, dass wir lernen Geschichten gut zu erzählen, damit wir wichtige Botschaften übermitteln können.