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Nachfolge

Krieg und Macht

„Ich kann nicht glauben, dass so etwas in unserer Zeit passiert“ hört man in diesen Tagen häufig. Es ist bei vielen auch der Ausdruck der Verblüffung darüber, dass das Zeitalter der Vernunft und des technologischen Fortschritts offensichtlich wohl doch nicht zwangsläufig zu einer immerwährenden Ära des Friedens und des Wohlstands führt.

Wochenlang haben wir das Säbelrasseln an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine in den Medien beobachten können. Ein Einmarsch der russischen Armee in die Regionen in der Ostukraine, in denen bereits seit acht Jahren Krieg herrscht, schien durchaus im Bereich des Vorstellbaren. Aber mit der umfassenden Invasion in die Ukraine, die am 24. Februar 2022 begonnen hat, rechnete scheinbar niemand so richtig. Viele Politiker und Militärexperten geben offen zu, dass sie die Entschlossenheit des Kreml-Chefs Wladimir Putin völlig falsch eingeschätzt haben. Wir haben noch die Bilder vor Augen, wie sich vor wenigen Tagen Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron oder der Bundeskanzler Olaf Scholz mit Putin in Moskau an einem endlos lang wirkenden weißen Tisch zu Verhandlungen trafen. Trotz der inhaltlichen und räumlichen Distanz schien aber eine diplomatische Lösung weitaus realistischer als ein Krieg in Europa. Heute lesen wir in den Medien Berichte darüber, dass selbst enge Vertraute des russischen Machthabers nicht in seine Pläne eingeweiht gewesen sind und Minister, hochrangige Beamte und wichtige Unternehmen nicht auf die Invasion vorbereitet gewesen sind.

Die genauen Gründe für die Invasion scheint nur Putin selbst zu kennen. Er selbst sieht in dem Zerfall der Sowjetunion die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Es wird spekuliert, ob er danach strebt, die Sowjetunion wieder aufleben zu lassen.

Offensichtlich sieht er es aber als Bedrohung an, dass sich Staaten, die früher zur Sowjetunion gehörten, zunehmend in Richtung der Europäischen Union und der NATO orientieren. Der Kreml-Chef fürchtet eine militärische Bedrohung in der direkten Nachbarschaft. Er wirft dem Westen vor, mit der NATO-Osterweiterung gegebene Zusagen zu brechen. Genaue Inhalte früherer Verhandlungen liegen für uns, die Öffentlichkeit, im Dunkeln. Fest steht aber in jedem Fall, dass der durch Putin geplante und befohlene Angriff auf die Ukraine niemals der Weg zur Lösung eines Konfliktes sein kann und wir Zeugen von großem Unrecht werden. Hunderttausende Menschen müssen aus ihrer Heimat fliehen, Tod und Leid kommt über eine ganze Nation.

„Ich kann nicht glauben, dass so etwas in unserer Zeit passiert“ hört man in diesen Tagen häufig. Es ist bei vielen auch der Ausdruck der Verblüffung darüber, dass das Zeitalter der Vernunft und des technologischen Fortschritts offensichtlich wohl doch nicht zwangsläufig zu einer immerwährenden Ära des Friedens und des Wohlstands führt.

In diesen Tagen fühlen wir Wut darüber, dass ein Mann die Macht zu haben scheint, durch seine Entscheidungen so viel Unheil und Leid zu verursachen. Wir fühlen Verzweiflung darüber, dass auch den von uns gewählten Vertretern des Volkes offensichtlich die Macht fehlt, entscheidend darauf einzuwirken, dass es zu einem schnellen Ende der Kriegshandlungen kommt.

Dennoch ist es als Kirche in dieser Zeit unsere Verantwortung danach zu fragen, wie wir einen Beitrag leisten können, um für Gerechtigkeit einzustehen und dem Leid durch Hilfestellung zu begegnen. Wir finden viele Solidaritätsbekundungen in den Sozialen Medien und den Aufruf zum Gebet und zur Hilfe. Sie sind ein wichtiges Werkzeug in dieser Zeit und nicht zu unterschätzen. Sie können bekanntermaßen aber auch in die Irre führen, wenn sie von den echten Zielen ablenken und man sich vorgaukeln lässt, sie würden bedeutende Veränderungen schaffen, wenn das nicht der Fall ist. Der Aufruf zur Hilfe oder zum Gebet ist noch nicht die Hilfe selbst, auf der wir uns ausruhen sollten. Der Aufruf zum Gebet und zur Unterstützung muss auch in die Tat umgesetzt werden, um einen Unterschied zu machen.

Zwei Zitate helfen mir in dieser Zeit den Blick neu dafür zu gewinnen, dass der Hochmut weltlicher Macht zum Schweigen gebracht werden wird durch den einen, der uns die Herrlichkeit eines dienenden Herrschers gezeigt hat, Jesus Christus.

Das erste Zitat ist ein Gedicht von Percy Bysshe Shelley aus dem Jahr 1817 mit dem Titel Ozymandias. Das zweite Zitat stammt von dem britischen Journalisten Malcolm Muggeridge. Beide führen uns die Vergänglichkeit irdischer Werke und menschlicher Macht vor Augen.

Ein Wandrer kam aus einem alten Land,
Und sprach: „Ein riesig Trümmerbild von Stein
Steht in der Wüste, rumpflos Bein an Bein,
Das Haupt daneben, halb verdeckt vom Sand.

Der Züge Trotz belehrt uns: wohl verstand
Der Bildner, jenes eitlen Hohnes Schein
Zu lesen, der in todten Stoff hinein
Geprägt den Stempel seiner ehrnen Hand.

Und auf dem Sockel steht die Schrift: ‚Mein Name
Ist Osymandias, aller Kön’ge König: –
Seht meine Werke, Mächt’ge, und erbebt!‘

Nichts weiter blieb. Ein Bild von düstrem Grame,
Dehnt um die Trümmer endlos, kahl, eintönig
Die Wüste sich, die den Koloß begräbt.“

Ozymandias, Übersetzung von Adolf Strodtmann, 1866

We look back upon history and what do we see?

Empires rising and falling, revolutions and counterrevolutions, wealth accumulating and and then disbursed, one nation dominant and then another. Shakespeare speaks of the “rise and fall of great ones that ebb and flow with the moon.”

In one lifetime I have seen my own countrymen ruling over a quarter of the world, the great majority of them convinced, in the words of what is still a favorite song, that “God who’s made them mighty would make them mightier yet.”

I’ve heard a crazed, cracked Austrian proclaim to the world the establishment of a German Reich that would last for a thousand years; an Italian clown announce he would restart the calendar to begin with his own assumption of power; a murderous Georgian brigand in the Kremlin acclaimed by the intellectual elite of the western world as wiser than Solomon, more enlightened than Asoka, more humane than Marcus Aurelius.

I’ve seen America wealthier and in terms of military weaponry more powerful than all the rest of the world put together, so that Americans, had they so wished, could have outdone an Alexander or a Julius Caesar in the range and scale of their conquests.

All in one little lifetime. All gone with the wind.

England now part of an island off the coast of Europe and threatened with dismemberment and even bankruptcy.

Hitler and Mussolini dead and remembered only in infamy.

Stalin a forbidden name in the regime he helped to found and dominate for some three decades.

America haunted by fears of running out of the precious fluid that keeps the motorways roaring and the smog settling, with troubled memories of a disastrous campaign in Vietnam and of the great victories of the Don Quixotes of the media when they charged the windmills of Watergate. All in one lifetime, all in one lifetime, all gone. Gone with the wind.

Malcom Muggeridge