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Nachfolge

Hoffnung

Der Glaube ist also der größere Begriff, der die Hoffnung einschließt. Glaube ist unser Vertrauen in das Wort Gottes. Und wenn dieses Wort sich auf die Zukunft bezieht, kann man unser Vertrauen Hoffnung nennen. Hoffnung ist Glaube in der Zukunftsform.

Wer sich aus einer christlichen Perspektive mit dem Thema Hoffnung auseinandersetzt, der wird kaum um eine gewisse Begriffsdefinition herumkommen. Als die deutsche Bundesregierung  der amerikanischen Regierung Ende 2001 nach den schrecklichen Geschehnissen des 11. Septembers eine hundertprozentige Solidarität zusagte, gingen beide Seiten davon aus, sich verstanden zu haben. Dementsprechend groß war die Enttäuschung bei den Amerikanern dann, als deutlich wurde, dass Solidarität von der deutschen Seite offensichtlich keinesfalls eine krass abweichende Position zum Irak-Krieg ausschließt. Man sprach also begrifflich vom Gleichen, meinte aber nicht dasselbe. Von einer ähnlichen Problematik erzählt man sich, als die Fotografin Lynn Goldsmith den Auftrag erhielt, Bob Dylan zu fotografieren. Als sie die freudige Botschaft hörte, saß sie kurz darauf glücklich und aufgewühlt in einem Taxi und rief: „I’m going to shoot Dylan. Bob Dylan!“ Woraufhin der Fahrer angehalten haben soll, sie zum Aussteigen aufforderte und darauf hinwies, dass er keine Mörder befördere. Auch hier schien das Problem ein unterschiedliches Verständnis desselben Begriffes.

Eine ähnliche Problematik kann uns begegnen, wenn es um den Begriff Hoffnung geht. Was ist Hoffnung eigentlich? Wie ist dieser Begriff zu verstehen? Wir verwenden den Begriff in der Alltagssprache primär, um einen Wunsch im Hinblick auf ein zukünftiges Ereignis zu beschreiben. Ich würde als Werder Bremen Fan beispielsweise formulieren: „Ich hoffe, dass der HSV den Aufstieg wieder in den letzten Partien verspielt“. Mit anderen Worten: Ich bin mir nicht ganz sicher, aber es wäre super, wenn es so kommt. Wir drücken also bei der Verwendung dieses Wortes tendenziell die Ungewissheit aus und nicht die Gewissheit. Ich denke es ist zwar erkennbar, dass der HSV echt gut im Vergeigen von Aufstiegschancen ist, aber diese Saison spielen sie tatsächlich ganz gut, sodass mich eine Ungewissheit begleitet.

Das biblische Hoffnungsverständnis ist nahezu gegensätzlich von dem Beschriebenen. Die biblische Hoffnung wünscht sich nicht nur etwas Gutes für die Zukunft, sie erwartet geradezu mit Gewissheit, dass es eintritt. Es ist vielmehr eine Haltung der Gewissheit und nicht der Ungewissheit. Wir merken an diesem Beispiel aus dem deutschen Sprachgebrauch, wie wichtig es immer wieder sein kann, beim Bibelstudium Begrifflichkeiten zu klären. Davon wird abhängen, wie wir mit dem Begriff Hoffnung umgehen, wenn wir in der Bibel auf ihn stoßen. Geht es dann um Hoffnung im Sinne unserer Alltagssprache von „ich wünsche mir“ oder doch um Hoffnung im biblischen Sinne von „ich bin gewiss, dass…“?

Aber was für eine Form der Gewissheit versucht die Bibel zu beschreiben? Müssen wir von einer naiven und weltfremden Gewissheit ausgehen oder vielleicht eher von einer mathematischen und logischen Gewissheit? Zunächst unterscheidet sie sich recht deutlich von der mathematischen oder logischen Gewissheit. Die mathematische Gewissheit wäre: Wenn ich zwei Kroketten habe und zwei weitere hinzufügen würde, dann können wir „mathematisch“ sicher sein, dass wir vier Kroketten haben. Ich hätte sehr gerne noch mehr Kroketten, denn diese kleinen Kartoffelkreationen sind ganz offensichtlich eine geniale Erfindung der Lebensmittelbranche. Aber ich muss mich dennoch mit dieser mathematischen Gewissheit arrangieren. Die angesprochene Gewissheit ist auch keine logische Gewissheit. Logisch wäre: Paris liegt in Frankreich. Der Eifelturm steht in Paris. Also können wir logisch und faktisch sicher sein, dass der Eifelturm in Frankreich liegt. Auch das ist nicht gemeint.

Die Bibel meint etwas anderes. Man könnte es so beschreiben: Ich habe eine Gewissheit, dass meine Eltern mich lieben, solange sie und ich leben. Diese Gewissheit beruht nicht auf Mathematik oder Logik, sondern auf ihrem Charakter und Willen. Ich habe mehr als zwei Jahrzehnte Beweise dafür gesammelt. Ich würde also nie formulieren: Ich hoffe, dass sie mich weiterhin lieben werden. Ich würde sicherlich Begriffe des Vertrauens und der Gewissheit verwenden. Klar, mit dieser Form der Gewissheit könnte ich mich auch irren. Theoretisch wäre das im Bereich des Möglichen. Theoretisch könnten aber auch alle Kommunisten der Welt heute Nachmittag brennende Kapitalisten werden. Es könnte auch sein, dass Carglass nächste Woche Insolvenz anmelden muss, weil sich weltweit alle Menschen entscheiden, im Sinne des Klimaschutzes ihr Auto nicht mehr zu nutzen und damit keine neuen Steinschläge mehr entstehen. Diese Dinge sind mathematisch und logisch möglich, es gibt keine absolute Gewissheit, dass sie nicht eintreten. Warum bin ich mir dann so sicher, dass sie nicht eintreten? Der Grund dafür scheint zu sein, dass wir etwas über den menschlichen Willen wissen. Es gibt also eine Gewissheit, die sich aus der Kenntnis des Charakters einer Person ergibt. Diese Gewissheit ist in Bezug auf Menschen nicht unfehlbar, aber doch so sicher, dass sie mich ruhig schlafen lässt und ich nicht von ständiger Ungewissheit geplagt bin.

Die biblische Hoffnung ist dementsprechend nicht nur der träumerische Wunsch, dass etwas Gutes in der Zukunft geschieht. Sie ist zuversichtliche Erwartung für die Zukunft, dass Gott die Kontrolle hat und weiß, wie er mit seinen Kindern umzugehen hat. Wir vertrauen darauf, weil er uns sein Wort gegeben hat und wir seinen Charakter als vertrauenswürdig erachten können.

Der Autor des Hebräerbriefes beschreibt in Kapitel 6 den eindrucksvollen Glauben seiner Adressaten. Dennoch wendet er sich in Hebräer 6,11-12 mit einer eindringlichen Warnung an sie, welche den Wert der Hoffnung aufzeigt.

Wir haben nur einen Wunsch: Jeder von euch soll mit diesem Eifer an der Hoffnung festhalten, dass sich einmal alles erfüllt, was Gott versprochen hat. Ja, haltet daran fest, bis ihr das Ziel erreicht! Werdet in eurem Glauben nicht träge und gleichgültig, sondern folgt dem Beispiel der Christen, die durch ihr Vertrauen zum Herrn standhaft geblieben sind und alles erhalten werden, was Gott zugesagt hat.

Hebräer 6,11-12

Dem Autor ist eine Sache besonders wichtig: Seine Leserschaft soll mit Eifer an der Hoffnung festhalten, dass sich das erfüllen wird, was Gott versprochen hat. Er fordert sie dazu auf, sich geradezu daran zu klammern und darum zu ringen, bis sie das Ziel erreicht haben. Sie sollen dabei bleiben und nicht zynisch werden. Denn durch diese dauerhafte Hoffnung wird der Christ standhaft und wird empfangen, was Gott zugesagt hat. Hier zeigt sich auch die ethische Dimension der Hoffnung. Denn wer an der Hoffnung festhält, bleibt standhaft im Leben für Christus und in der Ausrichtung an seinem geoffenbarten Willen. Ohne die Hoffnung aber werden wir schnell träge und gleichgültig gegenüber Gott.

Der Vers 12 deutet dann an, dass Hoffnung und Glaube geradezu synonym zu verwenden sind. Gibt es da überhaupt einen nennenswerten Unterschied? Es scheint so, dass der Glaube der umfassendere Begriff ist und die Hoffnung ein notwendiger Teil des Glaubens ist. Hoffnung ist der Teil des Glaubens, der sich auf die Zukunft fokussiert. Man könnte auch sagen: Wenn Glaube auf die Zukunft gerichtet ist, kann man ihn biblisch Hoffnung nennen. Aber Glaube kann sich auch auf die Vergangenheit und Gegenwart konzentrieren und ist damit umfassender. In Hebräer 11,1 wird der Glaube beschrieben als eine zuversichtliche Erwartung und gleichzeitig auch ein Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht. Einige dieser Dinge sind nicht in der Zukunft. So kann sich der Glaube beispielsweise auf die in der Vergangenheit liegende Schöpfung richten (Hebräer 11,3) oder auf das vollendete Werk Christi am Kreuz und seine Auferstehung. Der Glaube ist also der größere Begriff, der die Hoffnung einschließt. Glaube ist unser Vertrauen in das Wort Gottes. Und wenn dieses Wort sich auf die Zukunft bezieht, kann man unser Vertrauen Hoffnung nennen. Hoffnung ist Glaube in der Zukunftsform. Der Eifer dafür, an der Hoffnung festzuhalten ist manchmal von entscheidender Bedeutung. Denn die Hoffnung ist nicht immer einfach, so wie auch der Glaube an Vergangenes nicht immer einfach ist. Der Glaube kann aber wachsen, durch die Erkenntnis des Wesens Gottes. Je besser wir Gott durch sein Wort kennenlernen, desto eher wird unser Glauben Wachstum erleben.

Wir dürfen leben mit der Hoffnung, dass die Kluft zwischen dem Gegenwärtigen und einer Zukunft überbrückt wird, in der wir die vollkommene Erneuerung durch Christus erleben werden. Wir hoffen, weil Christus das Seufzen der Schöpfung und den Hochmut weltlicher Macht zum Schweigen bringen wird. In einer Welt, in der Hoffnung oft ein recht bedeutungsloses Wort geworden ist, dass immer wieder durch den Begriff Wunsch ersetzt werden könnte, dürfen wir Hoffnung in einer Weise präsentieren, die von dem biblischen Gedanken geprägt ist.

Darum lassen wir uns nicht entmutigen; sondern wenn auch unser äußerer Mensch zugrunde geht, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert. Denn unsere Bedrängnis, die schnell vorübergehend und leicht ist, verschafft uns eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, da wir nicht auf das Sichtbare sehen, sondern auf das Unsichtbare; denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

2. Korinther 4,16-18

Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit Frieden im Glauben, dass ihr überströmt in der Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes!

Römer 15,13