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Der Heilige Geist vor Pfingsten

Und das liefert auch die Antwort auf die Frage, warum die Erfahrungen der Heiligen des Alten Testamentes für uns wertvoll sind. Wenn sie die Privilegien des Heiligen Geistes erlebten, bevor der Damm geöffnet wurde, wie viel mehr sollten wir diese Dinge erleben. Um das Wirken des Heiligen Geistes heute zu verstehen, lohnt sich der Blick in das Alte Testament. Wie wirkte der Geist Gottes damals?

Im Bericht von der Himmelfahrt lesen wir von der Ankündigung über das Kommen vom Heiligen Geist. Diese Ankündigung sollte eine Woche später Wirklichkeit werden.

Und siehe, ich sende auf euch die Verheißung meines Vaters; ihr aber bleibt in der Stadt Jerusalem, bis ihr angetan werdet mit Kraft aus der Höhe!

Lukas 24,49

Bei einer gedanklichen Auseinandersetzung mit diesem Moment drängt sich die Frage auf, was vor Pfingsten mit dem Heiligen Geist gewesen ist. Hat er gewartet, bis er auch endlich mitmachen darf? War er in einem schlafenden oder ruhenden Zustand?

Bevor man sich mit einer Frage wie dieser auseinandersetzt, sollte die Frage gestattet sein, ob die Beantwortung der Fragen lohnend ist. Der Historiker fragt in der Regel: Was war? Noch interessanter finde ich die Frage: Was solls? Wissen um seiner selbst willen hat aus meiner Sicht keinen besonders hohen Wert. Ich stelle mir also die Frage: Macht die Antwort auf eine Frage einen Unterschied in meinem Leben? Denn man kann viele Dinge wissen, die einen nicht weiterbringen. Das gilt zum Beispiel für einige Gesetze in Deutschland. In § 307 StGB heißt es: Wer es unternimmt, durch Freisetzen von Kernenergie eine Explosion herbeizuführen und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert zu gefährden, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. Wenn ich diesen Gesetzestext richtig interpretiere, geht es um ein Verbot, eine Atomwaffe zu zünden. Das ist interessant, für mein bisheriges Leben aber von untergeordneter Bedeutung. In Deutschland ist es auch verboten, in Abwasserkanälen zu schwimmen oder im Gleichschritt eine Brücke zu überqueren. Wieder handelt es sich um interessante Informationen, die aber nicht bedeutungsvoll für mein Leben sind. Wie ist es aber mit der Frage nach dem Heiligen Geist vor Pfingsten? Würde es Unterschied machen, wenn ich Antwort kenne? 

Vom Pfingstmoment lesen wir in Apostelgeschichte 2.

2 Und es entstand plötzlich vom Himmel her ein Brausen wie von einem daherfahrenden gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten und sich auf jeden von ihnen setzten. 4 Und sie wurden alle vom Heiligen Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist es ihnen auszusprechen gab.

Apostelgeschichte 2,2-4

An diesem Morgen versammelten sich die Jünger und das Versprechen von Jesus wird Realität. Der Apostel Petrus fängt an zu predigen und stellt eine Verbindung zum alttestamentlichen Propheten Joel her.

16 sondern dies ist es, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist: 17 »Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da werde ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure jungen Männer werden Gesichte sehen, und eure Ältesten werden Träume haben; …

Apostelgeschichte 2,16-17

Petrus sagt, dass dieses Ereignis den Eintritt in die letzte Zeit darstellt. Der Beginn der Endzeit. Wir leben also in den letzten Tagen des Geistes. Es ist die Zeit von der die Propheten wie Jesaja, Hesekiel oder Joel im Alten Testament gesprochen haben. Es gibt keine entscheidenden Wendepunkte mehr in der erlösenden Geschichte, die stattfinden müssen, bevor Jesus kommt, um sein Königreich zu errichten. 

Um die Zeit vor und nach Pfingsten zu vergleichen, lohnt sich ein Vergleich mit dem Assuan Staudamm im südlichen Ägypten. Dieser Staudamm staut Nil. Er ist 3.600 Meter lang und 111 Meter hoch. Gebaut wurde er von 1960 bis 1971. Ziel dieses Bauvorhabens war unter anderem die Bevorratung mit Wasser in einem Stausee, der zehnmal so groß wie der Bodensee ist. Der Staudamm ist mit einem Wasserkraftwerk mit 12 Turbinen ausgestattet. Zeitweise wurde die Hälfte des ägyptischen Strombedarfs durch dieses Kraftwerk gedeckt. Bei der Eröffnung konnten durch den erzeugten Strom alle ägyptischen Städte beleuchtet werden. Viele Dörfer erhielten erstmals Elektrizität. Während der Bauphase wurde der Nil am Bauvorhaben vorbeigeführt, denn die Menschen stromabwärts waren abhängig von ihm. Sie tranken das Wasser, sie wuschen sich darin, es bewässerte Ernten und drehte ihre Mühlenräder. Sie segelten im Mondlicht darauf und schrieben Lieder darüber. Der Fluss war ihr Leben. Aber an dem Tag, an dem Wasser durch die Turbinen strömte, wurde eine Macht entfesselt, die sich weit über die Menschen am Fluss ausbreitete und Möglichkeiten brachte, von denen sie nur geträumt hatten. 

Pfingsten ist vergleichbar mit der Eröffnung des Staudamms. Vor Pfingsten segnete der Fluss des Geistes das Volk Israel. Nach Pfingsten breitete sich die Kraft des Geistes aus, um die ganze Welt zu erleuchten. Man kann sagen: Keiner der Vorteile, die in den Tagen vor Pfingsten genossen wurden, sind verloren gegangen. Es wurden aber gigantische Mengen Kilowatt hinzugefügt, um das Licht des Evangeliums in jede Sprache, jeden Stamm und jede Nation zu bringen.

Und das liefert auch die Antwort auf die Frage, warum die Erfahrungen der Heiligen des Alten Testamentes für uns wertvoll sind. Wenn sie die Privilegien des Heiligen Geistes erlebten, bevor der Damm geöffnet wurde, wie viel mehr sollten wir diese Dinge erleben. Um das Wirken des Heiligen Geistes heute zu verstehen, lohnt sich der Blick in das Alte Testament. Wie wirkte der Geist Gottes damals?

Erhalter des Lebens

Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der Odem des Allmächtigen erhält mich am Leben.

Hiob 33,4

Jeder Mensch im Mutterleib ist ein souveräner Schöpfungsakt des Geistes Gottes. Jeder Atemzug, jeder chemische Vorgang in den Zellen unseres Körpers wird durch das Werk des Heiligen Geistes aufrechterhalten. In diesem Sinne wirkt der Heilige Geist auch an jedem Menschen, ob gläubig oder nicht. Der Atem Gottes ist in dir. Dein Leben hat unendlichen Wert, Gott hat seinen Odem noch nicht von dir genommen, daher ist er noch nicht fertig mit dir. Die Erinnerung an dieses Wirken des Heiligen Geistes ermöglicht uns, das Leben aktiv und bewusst zu gestalten. 

Gegenwart Gottes

7 Wo sollte ich hingehen vor deinem Geist, und wo sollte ich hinfliehen vor deinem Angesicht? 8 Stiege ich hinauf zum Himmel, so bist du da; machte ich das Totenreich zu meinem Lager, siehe, so bist du auch da! 9 Nähme ich Flügel der Morgenröte und ließe mich nieder am äußersten Ende des Meeres, 10 so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten!

Psalm 139,7-10

Der Psalmist wusste um die Gegenwart Gottes, wo auch immer er ging oder war. Das Leben ist nicht eine Mischung aus Momenten, in denen du auf Gott triffst und in denen Gott dich aus den Augen verloren hat. Wo sollte ich hingehen vor deinem Geist? Auch in diesem Sinne ist das Leben immer geisterfüllt. Natürlich ist es gut, sich die Gegenwart Gottes immer wieder zu vergegenwärtigen, manchmal klingt es aber vielleicht heiliger als es ist: „Ich muss erstmal Gott im Gebet suchen“ oder „wir wollen den Geist Gottes einladen“. Man kann gegebenenfalls lange suchen, denn der Heilige Geist wohnt schon dort. Wenn Gott in unserem Leben regiert und wir konsequent mit ihm leben, dürfen wir damit rechnen, dass Gott seinen Teil tut und Weisheit gibt, inspiriert, dir richtigen Worte gibt. Man muss ihn nicht immer erst einladen.

Lehrer

Und du gabst ihnen deinen guten Geist, um sie zu unterweisen; …

Nehemia 9,20

Du aber hattest viele Jahre lang Geduld mit ihnen und hast gegen sie Zeugnis ablegen lassen durch deinen Geist, durch deine Propheten; aber sie wollten nicht hören.

Nehemia 9,30

Durch den Geist Gottes sprachen die Propheten und durch den Geist Gottes wurde das Volk befähigt, zu verstehen und anzuwenden. Die Verfügbarkeit des Wortes Gottes heute ist unglaublich und für Menschen im Alten Testament kaum vorstellbar. Wenn wir sagen: „ Ich habe den Geist Gottes so lange nicht mehr erlebt“, dann hat es häufig mit einem Versäumnis auf unserer Seite zu tun. Denn die Lieblingsbeschäftigung des Heiligen Geistes ist es, Dinge beizubringen. Wenn wir das Wirken des Geistes erleben wollen, sollte unsere Lieblingsbeschäftigung sein, zuzuhören.

Vollender der Arbeit

1 Und der HERR redete mit Mose und sprach: 2 Siehe, ich habe Bezaleel mit Namen berufen, den Sohn Uris, des Sohnes Hurs, vom Stamm Juda, 3 und ich habe ihn mit dem Geist Gottes erfüllt, mit Weisheit und Verstand und Erkenntnis und mit Geschicklichkeit für jede Arbeit, 4 um Kunstwerke zu ersinnen und sie auszuführen in Gold und in Silber und in Erz, 5 und um Edelsteine zum Besatz zu bearbeiten, und um Holz zu schnitzen, sodass er Kunstwerke aller Art ausführen kann.

2 Mose 31,1-5

Der Text sagt uns, dass Gott Bezalel beim Namen nannte und ihn mit seinem Geist erfüllt und ihm Geschicklichkeit gegeben hat. Es gibt also eine besondere Kraft des Heiligen Geistes, welche die Arbeit eines Menschen von rein technischer Fähigkeit zu göttlich ermächtigtem Dienst erhebt. Wir brauchen demnach einen neuen Blick auf die Arbeit. Was ist der beste Weg, um Gott anzubeten? Ist es Musik, Gebet oder Bibelstudium? Der beste Weg, um Gott anzubeten, ist es, ihn zu imitieren. Und wenn wir die Bibel aufschlagen, sehen wir zuerst einen Gott, der arbeitet. Was hat Jesus in den ersten 30 Jahren seines Lebens auf der Erde gemacht? Er hat gearbeitet. Als Gott den Menschen macht, sagt er: Ihr sollt bewirtschaften, organisieren, den Tieren Namen geben. Es sind handwerkliche, kreative und administrative Tätigkeiten. Wir vergessen schnell, Arbeit an sich ehrt Gott, auch wenn das Arbeitsergebnis an sich vielleicht unspektakulär scheint. Das Leben ist keine Teilung aus heiligen Momenten am Sonntagmorgen und profanen Momenten im Rest der Woche. Es wird erkennbar in dem Gedanken Ora et Labora der Benediktiner, bete und arbeite. 

Geburtshelfer

Jesus spricht immer wieder von einer Wiedergeburt. Als er sich mit dem Pharisäer Nikodemus unterhielt, der ein ehrliches Interesse an der Botschaft von Jesus hatte, weist er auch auf diese Wiedergeburt hin und Nikodemus versteht nicht.

Jesus erwiderte und sprach zu ihm: Du bist der Lehrer Israels und verstehst das nicht?

Johannes 3,10

Der Lehrer Israels hätte Jesus verstehen können. Denn auch im Alten Testament wird dieser Gedanke angedeutet, so im Buch Hesekiel. 

26 Und ich will euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres legen; ich will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben; 27 ja, ich will meinen Geist in euer Inneres legen und werde bewirken, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechtsbestimmungen befolgt und tut.

Hesekiel 36,26-27

Gott hatte versprochen, dass der Moment kommen wird, in dem er etwas ganz Neues macht, radikal neu wie eine Geburt oder ein Neubeginn. Durch den Glauben können wir mit Gott versöhnt werden und eine neue Lebensausrichtung bekommen. Der Geist Gottes wirkt dieses Verlangen und dieses Öffnen zu Gott in unserem Leben. Wer daran glaubt, der kann das Wirken des Geistes erleben. Das hat Jesus dem Pharisäer Nikodemus versprochen. 

17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde. 18 Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes geglaubt hat.

Johannes 3,17-18