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Theologie

Darf man sich ein Tattoo stechen lassen?

– oder ist das die falsche Frage?

Können wir tatsächlich das Tattoo als unbedenklich einstufen, nur weil die einzige Stelle, die sich konkret gegen Tätowierung ausspricht, doch nicht so eindeutig ist?

Darf ich mir als Christ ein Tattoo stechen lassen? Gerade unter jungen Christen taucht diese Frage immer wieder und häufiger auf. Das Tattoo ist wieder voll im Trend. 

In der Vergangenheit wurde bei dieser Frage vor allem auf 3. Mose 19, 28 verwiesen:  

„Ihr dürft euer Haupthaar an den Schläfen nicht rund scheren; auch darfst du den Rand deines Bartes nicht stutzen. Wegen eines Toten dürft ihr euch keine Einschnitte an eurem Leibe machen und keine Ätzschrift an euch anbringen: ich bin der HERR!“ 

3. Mose 19, 28

Heute argumentiert man vielfach, dass sich diese Stelle nicht gegen Tattoos im Allgemeinen ausspricht, sondern lediglich gegen den heidnisch-religiösen Totenkult der Nachbarvölker Israels.  

Konsequenz ist demnach, dass die Bibel sich nur gegen Tattoos ausspricht, wenn diese im Zusammenhang mit dem antiken Toten- und Götzendienst stehen. Aber ist es wirklich so einfach? Können wir tatsächlich das Tattoo als unbedenklich einstufen, nur weil die einzige Stelle, die sich konkret gegen Tätowierung ausspricht, doch nicht so eindeutig ist? 

Heutzutage hat ein Tattoo vor allem zwei Funktionen: 1) Ästhetik, ein Tattoo soll schön aussehen, ähnlich wie Schmuck oder Kleidung. 2) Nicht selten will man mit dem Tattoo eine Aussage treffen. Egal, ob der Name eines geliebten Menschen, ein Lebensmotto oder eine Ideologie, der man sich zugehörig fühlt. Häufig dienen Tattoos schlicht als Mittel der Kommunikation

Diese Funktionen kennt die Bibel für das Tätowieren so nicht. Die Bibel gibt uns keinen Hinweis, dass Tattoos im kulturellen Umfeld Israels aus ästhetischen Gründen oder als Form der Kommunikation („Hast du schon mein neues König David Tattoo gesehen?“) getragen wurden. 

Es ist also richtig, dass der Text im 3. Buch Mose hauptsächlich auf den damit verbundenen Totenkult Bezug nimmt. Wer damit die Angelegenheit für erledigt hält, übersieht dabei allerdings einen wichtigen Aspekt. Bei 3. Mose 19, 28 handelt es sich nicht vorrangig um eine Wiederholung des 1. Gebots in 2. Mose 20, 3 „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir!“. Stattdessen geht es in dem vorliegenden Abschnitt, wie bei vielen weiteren Geboten um die Abgrenzung Israels als Gottes Volk von seinen Nachbarvölkern. Die Israeliten sollten sich selbst dann von diesen Sitten fernhalten, wenn diese nicht mit dem dazugehörigen Götzendienst einhergingen. 

Fast in seiner gesamten Geschichte befand sich Israel als kleine Nation in Nachbarschaft zu Völkern, die größer, mächtiger oder fortschrittlicher waren. Zu keinen Zeitpunkt übten sie langfristigen und nachhaltigen Einfluss auf die umliegenden Nationen aus. Deshalb befand sich Israel ständig in der Gefahr, sich seiner Umgebung zu sehr anzupassen, Sitten zu übernehmen und schließlich sich vollständig zu assimilieren. Im Alten Testament lässt sich die Tendenz beobachten, dass das Volk Israel so sein wollte, wie die angrenzenden Kulturen oder sie versuchten Rituale, wie auch das Tattoo, zu benutzen, um Jahwe wie einen weiteren Götzen zu dienen. So verfiel Israel immer wieder in Sünde und Rebellion gegenüber Gott, weil sie diese verordnete Abgrenzung missachteten, die eigentlich zu ihrem Schutz gedacht war. 

Ein gutes Beispiel ist Jerobeam, der erste König von Israel nach der Ablösung von Juda. Sollten die Menschen im Nordreich Israel nach der Trennung weiterhin für den Opferdienst und die Festtage nach Jerusalem in den Tempel gehen, würde das eine Gefährdung der eigenen Macht bedeuteten. Jerobeam begann deshalb mit der Errichtung einer eigenen „religiösen Infrastruktur“. Dabei nutzte er die ehemaligen Stätten von heidnischen Götzen und griff auf Fruchtbarkeitssymbole zurück, um die kanaanäische Bevölkerung einzubeziehen und zu befrieden (vgl. 1. Könige 12, 25ff). Der herrschenden Klasse war vermutlich weiterhin klar, dass Jahwe, der Gott Israels, angebetet wurde. Für die restliche Bevölkerung begann damit allerdings ein Prozess, indem die Grenzen zwischen Jahwe-Glaube und Götzendienst immer mehr verschwanden. 

Zurecht kann man argumentieren, dass für Christen der alttestamentliche Bund mit allen seinen Geboten und Vorschriften nicht mehr gilt (Hebräer 8). Ein Tattoo ist nicht grundsätzlich aus sich selbst heraus böse oder schlecht. Entscheidend ist die Motivation hinter einem Tattoo. So gilt nicht länger das alttestamentliche Gebot gegen das Tattoo, wohl aber das dahinterliegende Prinzip, dass Gott nicht will, dass wir so sind wie die Welt, die gleichen Dinge lieben und denselben Wertvorstellungen folgen: 

„Richtet euch nicht länger nach den Maßstäben dieser Welt, sondern lernt, in einer neuen Weise zu denken, damit ihr verändert werdet und beurteilen könnt, ob etwas Gottes Wille ist – ob es gut ist, ob Gott Freude daran hat und ob es vollkommen ist.“ 

Römer 12, 2 

„Liebt nicht die Welt! Hängt euer Herz nicht an das, was zur Welt gehört! Wenn jemand die Welt liebt, hat die Liebe zum Vater keinen Raum in seinem Leben.“ 

1. Johannes 2, 15 

Gott will nicht, dass wir uns wie die Welt verhalten. Als Kinder Gottes sollen wir uns ausschließlich am Willen Gottes ausrichten und weniger an dem orientieren, was die Welt tut.  

Russell Wilson, der Quarterback der Seattle Seahawks und bekennender Christ verdeutlicht das auf sehr gute Art und Weise. Während er in Interviews immer wieder offen und ehrlich über seinen Glauben spricht und dass er seinen Erfolg allein Gott zu verdanken hat, fällt er in der Öffentlichkeit durch eine weitere Besonderheit immer wieder auf. Im Gegensatz zu seinen Mitspielern, von denen gerade die Dunkelhäutigen meistens stark tätowiert sind, trägt Russell Wilson keine Tattoos. Diese Tatsache hat zwar keine klare Botschaft und bedeutet auch nicht, dass gläubige Sportler, die ein Tattoo haben, ihren Glauben dadurch weniger klar bekennen. Dennoch fällt es bei Russell Wilson in besonderer Weise auf, dass er sich nicht an seine Umgebung anpasst, sondern sich abgrenzt, ohne dadurch weltfremd zu wirken. In der Welt des Profisports, in der der Körper schnell zum Götzen wird und die einzige Hoffnung im Lifestyle und Geld liegt, grenzt sich Russell Wilson ab und weist mit seinem Leben auf eine größere Hoffnung hin. 

Für Viele, die den Wunsch nach einem Tattoo haben, bedeutet dieser Wunsch dem Verlangen nachzugeben, dazuzugehören oder in den Augen der Welt (und in Teilen der Kirche) „relevant“ zu sein. An dieser Stelle spielt das abgebildete Motiv nur noch eine untergeordnete Rolle. Wie Jerobeam, der Jahwe an Orten angebetet hat, die früher dem Götzendienst dienten, bedeutet ein Tattoo mit „christlichen“ Motiv nichts anderes, als zwei Herren dienen zu wollen (vgl. Matthäus 6,24). Nur mit der Motivwahl ist die Herzenshaltung hinter einem Tattoo also noch nicht geklärt. Denn ein Tattoo ist mehr als nur die Abbildung auf der Haut, sondern auch Symbol für moderne Götzen wie Eitelkeit, Individualismus und Eigensinn. Für Christen gilt auch heute noch Gottes Wunsch, dass sie heilig sein sollen, weil er heilig ist (3. Mose 19,2). Diese Absonderung von der Welt bedeutet in einigen Fällen, dass wir von Dingen Abstand nehmen sollten, selbst wenn wir sie möglicherweise „verchristlichen“ könnten. 

Bis vor kurzem habe auch ich in unregelmäßigen Abständen über ein Tattoo nachgedacht. Nichts Großes, an einer unauffälligen Stelle, vielleicht ein schlichtes Kreuz. Eigentlich doch nichts dran, oder? Auf den ersten Blick stimmte meine Herzenshaltung hinter einem solchen Tattoo. Schließlich sollte es natürlich ein eindeutig „christliches“ Symbol sein. Mit so einem Tattoo kann man doch Zeugnis gegenüber der Welt sein und mit anderen Menschen ins Gespräch über den Glauben kommen. Es sollte ein äußeres Zeichen für meine Hingabe gegenüber Gott sein. Klingt auf den ersten Blick doch nach der richtigen Herzenshaltung, oder? 

Im Rückblick bin ich Gott dankbar, dass ich mich nie dazu entschieden habe. Inzwischen verstehe ich, dass meine Beweggründe nicht so gut waren, wie sie den Anschein machten. Als introvertierter Mensch, der andere Menschen nicht so gerne anspricht – erst recht nicht zum christlichen Glauben – hatte ich die Hoffnung, so eine Abkürzung zu schaffen, bei der ich nicht meine Menschenfurcht ablegen müsse. Unbewusst dachte ich, dass ein äußeres Zeichen der Hingabe die Veränderung meines Herzens ersetzen oder wenigstens beschleunigen könne.  

Deshalb würde ich heute bei aller Freiheit, die wir als Christen haben, und obwohl es im Neuen Testament kein eindeutiges Gebot gegen Tattoos mehr gibt, immer eine dringende Warnung gegen ein Tattoo aussprechen. In den meistens Fällen gibt es viele Argumente gegen ein Tattoo und nur wenige Argumente dafür. Abschließend möchte ich noch 3 Fragestellungen geben, über die man bei seiner Entscheidung Gedanken machen sollte: 

1. Bringt es mich näher zu Gott? 

2. Stimmt meine Herzenshaltung? 

3. Ist es weise?