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Theologie

Der Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung

Der Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung lässt sich also in diesem Satz zusammenfassen: Die einzigen Sünden, die wir in unserem Leben mit Christus besiegen können, sind vergebene Sünden. Es gibt einen zwingend notwendigen Vorrang der Begnadigung vor der Macht. Wenn wir den Sieg über bestimmte Sünden erlangen wollen, müssen wir das freudige Vertrauen haben, dass diese Sünden durch unsere Verbindung mit Christus bereits vergeben sind. Die Zuversicht, dass es keine Verdammnis mehr gibt, muss dem Kampf der Verwandlung vorausgehen und ihn befähigen.

Wenn man im Römerbrief nach einem Zwischenfazit sucht, dann bietet sich in besonderer Weise Römer 8,1-2 an. Diese Textpassage bildet auch die tatsächliche Halbzeit auf dem Weg durch den Römerbrief, welcher insgesamt 16 Kapitel umfasst. Paulus beginnt diese Passage mit einem „So“ oder „Also“, womit er zum Audruck bringen will, dass er das vorher Gesagte zusammenfassen möchte. 

So gibt es jetzt keine Verdammnis mehr für die, welche in Christus Jesus sind, die nicht gemäß dem Fleisch wandeln, sondern gemäß dem Geist. Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.

Römer 8,1-2

Stelle einmal für einen kurzen Augenblick in deinem Kopf eine Liste der Dinge zusammen, in denen du in deinem Leben am offensichtlichsten versagt hast. Möglicherweise würdest du von dir sagen, dass du deinen Kindern eine schlechte Mutter oder ein schlechter Vater gewesen bist. Es könnte sein, dass du dein gesamtes Leben mit Süchten und Abhängigkeiten kämpfst. Oder hast du den Eindruck, dass du im Vergleich zu anderen Personen deiner Altersgruppe beruflich versagt hast? Erkennst du große charakterliche Probleme in deinem Leben? Vielleicht würdest du dich als besonders feige beschreiben? Wenn wir zu diesen Dingen in deinem Kopf zusätzlich ein Gefühl von Schuld vor Gott und Angst vor seinem Missfallen hinzufügen und diese Dinge nun in Dauerschleife unsere Gedanken bestimmen lassen, dann würde das Leben unweigerlich und permanent anstrengend und bedrückend werden. 

Umso mehr können wir dann begreifen, wieso die Worte aus Römer 8,1 die schönsten Worte überhaupt sind: Keine Verdammnis. Es gibt keine Verurteilung. Diese Aussage wird nicht mit diversen Vorbehalten oder Einschränkungen getroffen. Es heißt dort nicht, dass es noch keine Verdamnis oder erstmal keine Verdamnis oder zum Teil keine Verdamnis gibt. Es ist eine endgültige Entscheidung, dass es keine Verdamnis mehr gibt. 

Gerichtet sind diese Worte an Menschen, die in Christus Jesus sind. Aber was bedeutet diese fromme Vokabel? 

Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn wirklich Gottes Geist in euch wohnt; wer aber den Geist des Christus nicht hat, der ist nicht sein. Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Leib zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um der Gerechtigkeit willen.

Römer 8,9-10

An dieser Stelle ist erkennbar, dass die Worte Geist, Geist Gottes, Geist Christi oder einfach nur Christus austauschbar verwendet werden. Man könnte schlussfolgern, dass diejenigen in Christus Jesus sind, die den Heiligen Geist empfangen haben. Epheser 1,13 bestätigt uns, dass diejenigen, die an Christus gläubig geworden sind, immer auch den Heiligen Geist empfangen haben. Zusammenfassend lässt sich also feststellen: Wer an Christus gläubig geworden ist, für den gibt es keine Verdamnis mehr. Es gibt keine Verdamnis für die Menschen, in denen Christus durch den Heiligen Geist lebt.  

Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.

Römer 8,2

Vers 2 im 8. Kapitel ist dann eine Antwort auf die Frage, warum es keine Verdammnis mehr für diejenigen gibt, die in Christus sind. Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus hat diese Menschen frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Der Begriff Gesetz lässt sich an dieser Stelle besser verstehen als eine Autorität oder eine Macht, nicht als ein geschriebenes Gesetzbuch. Es geht also um das Gesetz des Geistes, welches die Autorität und Macht des Geistes beschreibt. Das Gesetz der Sünde beschreibt hingegen die Autorität und Macht der Sünde.

Ich finde also das Gesetz vor, wonach mir, der ich das Gute tun will, das Böse anhängt. Denn ich habe Lust an dem Gesetz Gottes nach dem inneren Menschen; ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das gegen das Gesetz meiner Gesinnung streitet und mich gefangen nimmt unter das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist. Ich elender Mensch! Wer wird mich erlösen von diesem Todesleib? Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn! So diene ich selbst nun mit der Gesinnung dem Gesetz Gottes, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde.

Römer 7,21-25

Diese miteinander im Konflikt stehenden Mächte zeigen sich besonders deutlich in diesen Versen aus dem 7. Kapitel des Römerbriefes. Paulus beschreibt hier einen Zustand, den der Christ immer wieder mal erlebt. Es ist kein Zustand, der die gesamte Erfahrung des christlichen Lebens beschreibt, aber dennoch kennen wir als Christen immer wieder diesen Kampf in unseren Gliedern. Da ist eine Kraft, ein Impuls oder ein Prinzip, welches gegen die Autorität Gottes wirkt. 

Aufgabe des Christen ist es daher, diese Rebellionsbegehren immer wieder zurückzuweisen. Denn die Macht Christi befreit von der Macht der Sünde und des Todes. Wird die Rebellion in unseren Gliedern nicht zurückgewiesen und der Anspruch Christi nicht geltend gemacht, dann führt die Macht der Sünde letztlich zum Tod. Doch die gute Botschaft des Römerbriefes ist es, dass jeder Christ den Geist des Lebens in sich trägt und damit jede Rebellion gegen Christus zurückweisen kann.

Was ist nun die besondere Verbindung zwischen Römer 8,1 und Römer 8,2? Der erste Vers ist eine wertvolle Aussage zur Rechtfertigung des Christenmenschen: Es gibt keine Verdammnis für die, die in Christus sind. Wenn wir mit Christus durch den Glauben an ihn verbunden sind, ist unsere Verurteilung vorbei. Der zweite Vers zielt in eine etwas andere Richtung. Hier sehen wir etwas, dass sich eher mit der christlichen Vokabel Heiligung beschreiben lässt. Es geht also um eine Veränderung oder Umgestaltung des Menschen. Vers 1 ist eine Erklärung, dass es keine Verurteilung gibt, Vers 2 ist eine Beschreibung der praktischen Umwandlung.

Der entscheidende Aspekt ist, dass die Vergebung unserer Sünden durch den Glauben an Christus unserem Kampf gegen die Sünde in unserem Leben vorausgehen muss. Die Vergebung befähigt diesen Kampf. Die Erklärung Gottes, dass uns vergeben ist und wir gerecht gesprochen sind, muss unserer Verwandlung in Christus verherrlichende Menschen vorausgehen. 

Der Gedanke lässt sich an einem Szenario verdeutlichen: Stelle dir vor, du stehst in einem Gerichtssaal vor Gericht. Dein Leben steht auf dem Spiel. Ein Schuldspruch bedeutet den Tod, ein Freispruch bedeutet Leben. Der Richter sagt: Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir damit umgehen können. Ich kann sie jetzt freisprechen, endgültig und unwiderruflich, damit sie ein freies, fröhliches und liebevolles Leben führen können, das allen zeigt, dass sie wirklich kein krimineller Gesetzesbrecher sind. Die zweite Möglichkeit ist, dass ich die Verhandlung und das Urteil um mehrere Jahre verschiebe und ihnen einen Bewährungshelfer zuweise, der sie die ganze Zeit beobachtet. Ich lasse sie dann gehen, damit sie dem Gericht durch ihr Leben beweisen, dass Sie kein Gesetzesbrecher sind. Ich werde dann die Verhandlungsentscheidung in ein paar Jahren darauf stützen, ob ihr Verhalten zufriedenstellend war oder nicht.

In dem einen Fall bist du endgültig frei von der Verurteilung und führst mit Freude ein Leben, das die Barmherzigkeit deines Richters zeigt. Im anderen Fall schwebt der Prozess dauerhaft über deinem Kopf und die Grundlage des zukünftigen Urteils wird sein, ob du dem Anspruch des Richters in allen Punkten dauerhaft gerecht geworden bist.

Das „in Christus sein“ in den Versen 1 und 2 hat also zwei unterschiedliche Bedeutungsrahmen. Zunächst sorgt die Verbindung mit Christus dafür, dass seine Gerechtigkeit zu unserer Gerechtigkeit wird. Daher gibt es keine Verurteilung mehr. Darüber hinaus besitzen wir seine Macht und Autorität über die Sünde, sodass das Gesetz der Sünde und des Todes besiegt werden kann. In Christus erhalten wir Vergebung der Sünde und Macht über die Sünde. 

Der Zusammenhang von Rechtfertigung und Heiligung lässt sich also in diesem Satz zusammenfassen: Die einzigen Sünden, die wir in unserem Leben mit Christus besiegen können, sind vergebene Sünden. Es gibt einen zwingend notwendigen Vorrang der Begnadigung vor der Macht. Wenn wir den Sieg über bestimmte Sünden erlangen wollen, müssen wir das freudige Vertrauen haben, dass diese Sünden durch unsere Verbindung mit Christus bereits vergeben sind. Die Zuversicht, dass es keine Verdammnis mehr gibt, muss dem Kampf der Verwandlung vorausgehen und ihn befähigen.

Jetzt aber sind wir vom Gesetz frei geworden, da wir dem gestorben sind, worin wir festgehalten wurden, sodass wir im neuen Wesen des Geistes dienen und nicht im alten Wesen des Buchstabens.

Römer 7,6