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Erfolgsmaschinerie?

Zahlen sind Freunde, sie können uns viele hilfreiche Informationen geben und unsere Aufmerksamkeit auf die richtigen Dinge lenken. Zahlen können aber auch gefährlich werden. Insbesondere für unsere Kirchen immer dann, wenn wir diesen Erfolgsmaßstab der Zahlen ungefiltert übernehmen.

Erfolg sollte anhand von Zahlen messbar sein. Wir bekommen das schon früh im Leben beigebracht. Zum Beispiel durch das Notensystem in unserem Bildungssystem. Später messen wir den Erfolg eines Menschen schnell anhand der Höhe des Einkommens oder anhand der Follower auf Instagram oder anderen Plattformen. Ich denke diese Vorgehensweise ist durchaus verständlich, denn häufig sind diese Dinge tatsächlich Indizien für Erfolg, Fleiß und Talent. Zahlen sind Freunde, sie können uns viele hilfreiche Informationen geben und unsere Aufmerksamkeit auf die richtigen Dinge lenken.  

Zahlen können aber auch gefährlich werden. Insbesondere für unsere Kirchen immer dann, wenn wir diesen Erfolgsmaßstab der Zahlen ungefiltert übernehmen. Natürlich sind Zahlen auch im kirchlichen Kontext nicht überflüssig. Unsere Zahlen können für gerettete Menschen stehen oder für die Anzahl von Personen, die Heilung und Widerherstellung erlebt haben. Das sind sehr bedeutungsvolle Zahlen, die wir dankbar sammeln und strategisch nutzen. Aber gleichzeitig sind wir keine Erfolgsmaschinerien im Sinne eines Unternehmens. Dieser Eindruck kann aber entstehen, wenn die Zahl der Gottesdienstbesucher oder Instagram Follower als erster Erfolgsmaßstab für Kirchen verwendet wird. Wir stehen dann in der Versuchung uns auf die falschen Früchte zu konzentrieren und setzten falsche Schwerpunkte. Zahlenmäßig kleinere Kirchen in Dörfern und Kleinstädten fühlen sich abgehängt und verlieren ihre Freude, weil ihnen gespiegelt wird, dass sie ungenügend sind und Gott sie längst abgeschrieben hat.  

Menschenmassen dürfen nicht unser erster Fokus sein. Es ist großartig, wenn wir mit großen Menschenmengen Reich Gottes bauen und erleben, aber Größe ist nicht der erste Auftrag. Menschenmengen sammeln ist eigentlich auch einfacher als man manchmal denkt. Am besten man begibt sich an einen Ort, an dem viele Menschen auf wenig Raum zu finden sind. Also ein Ballungsraum wie eine Großstadt. Dann verbindet man geschicktes Marketing mit einem Angebot, dass nichts kostet und eine Menge bietet. Zum Beispiel Freibier für alle. Plötzlich hat man viele Menschen gesammelt. Auch eine gewisse Social Media Reichweite zu erreichen ist machbar. Ich habe mir sagen lassen, dass es heute ein Leichtes ist, sich Follower zu kaufen.  

Unser Ziel als Kirchen sollte es aber nicht sein, einfach nur Menschenmassen zu sammeln, als ob die Anzahl der Menschen ein Selbstzweck ist. Das würde schnell zu falschen Versprechungen, wie zum Beispiel dem Wohlstandevangelium führen. Die Versuchung wird größer, wesentliche, aber unbequeme Teile der christlichen Botschaft zu archivieren. Wir sollten immer dabeibleiben, dass Vergebung und Rettung ein Geschenk sind, für das wir nicht zu zahlen haben. Der daran anschließende Weg der Nachfolge kann uns aber eine Menge kosten, zum Beispiel die Aufgabe von alten Gewohnheiten, Freundschaften und Prioritäten. Es ist also ein Paradoxon, das wir nicht durch falsche Versprechen auflösen sollten, nur um in der christlichen Community zu einem großen Player zu werden und Menschenmassen zu sammeln. Ich empfinde das immer wieder als eine große Herausforderung, einfach weil ich so sehr auf in Zahlen messbaren Erfolg getrimmt bin. Der deutsche römisch-katholische Theologe und Psychiater Manfred Lütz schreibt:  

„Am Ende ist daran zu erinnern, dass der Kirche nie die Eroberung der ganzen Welt vorausgesagt wurde. Das Christentum ist insofern keine Religion, die auf Erfolg aus ist. Wenn manche Christen untröstlich sind, dass nur noch so wenige Menschen die Kirche besuchen, dann sei in Erinnerung gerufen, dass der »Kirchenbesuch« bei Jesus selbst am Ende bei etwa acht Prozent lag: Nur einer von 12 Aposteln harrte unter dem Kreuz aus, »der Jünger, den er liebte«, Johannes. Und am Ende der Welt sieht das Neue Testament den großen Glaubensabfall, den Antichrist und nicht das Paradies auf Erden, sondern die Apokalypse, den dramatischen Untergang dieser Welt.“ 

Manfred Lütz in „Der Skandal der Skandale“

Ich finde diese Erinnerung hilfreich und auch tröstlich in den Momenten, in denen man viel investiert und doch nicht immer die erhofften Resultate sieht. Die Bibel spricht von einem schmalen Weg zum Leben, auf dem nicht die Masse unterwegs ist. 

»Geht durch das enge Tor! Denn das Tor zum Verderben ist breit und der Weg dorthin bequem. Viele Menschen gehen ihn. Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng und der Weg dorthin schmal! Deshalb finden ihn nur wenige.«  

(Matthäus 7, 13-14; HfA)

Die Erfolgskriterien im Reich Gottes scheinen also eine andere Reihenfolge zu haben als die Maßstäbe der Wirtschaft oder der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. Zunächst geht es Gott um unsere Treue an dem Ort, an dem wir sein Reich bauen. Ausharren, Zuverlässigkeit, Einheit und Treue sind einige Indikatoren, die für Gott offensichtlich von größerer Bedeutung sind.  

So soll man uns betrachten: als Diener des Christus und Haushalter der Geheimnisse Gottes. Im Übrigen wird von einem Haushalter nur verlangt, dass er treu erfunden wird.  

(1. Korinther 4, 1-2; SCH2000)

Überhebt euch nicht über andere, seid freundlich und geduldig! Geht in Liebe aufeinander ein! Setzt alles daran, dass die Einheit, wie sie der Geist Gottes schenkt, bestehen bleibt. Sein Friede verbindet euch miteinander. 

(Epheser 4, 2-3; HfA) 

Wir beten und erwarten, dass Gott auch unter uns in Europa Dinge tut, die unsere kühnsten Träume übertreffen. Aber wir haben kein Recht darauf beleidigt zu sein, wenn diese Dinge im souveränen Plan Gottes für eine andere Zeit vorgesehen sind. Unsere Aufgabe ist es treue Verwalter und Diener Gottes zu sein. Dann kann unsere Geschichte sein, dass wir auf den Moment vorbereitet gewesen sind, in dem Gott viel mehr tun wollte.