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Buch und Literatur

MultiChurch – Exploring the Future of Multisite

Alle diese Einwände sind laut den Autoren durchaus berechtigt. Sie sollten uns allerdings nicht vorschnell das Multisite-Modell in seiner Gesamtheit ablehnen lassen. Stattdessen können wir diese Bedenken zum Anlass nehmen, uns darüber Gedanken zu machen, wie diesen Problemen im Kontext des Multisite-Modells begegnet werden kann.

Anfang der 1990er bestanden gerade einmal 10 Kirchen in den USA aus mehr als einen Standort oder Campus. Heute besitzt mehr als 70 Prozent aller großen Kirchen in den Vereinigten Staaten ein Netzwerk aus verschiedenen Standorten.

Wir müssen also feststellen, die Idee einer Kirche mit mehreren Standorten, kurz Multisite, ist nicht mehr nur ein Trend und wird vermutlich auf absehbare Zeit nicht verschwinden.

Hier setzt das Buch „MultiChurch – Exploring the Future of Mulitsite” von Brad House und Gregg Allison an. Brad House hat als Pastor der Sojourn Community Church, die aus mehreren Standorten besteht, bereits langjährige Erfahrung mit dem Multisite-Modell. Gregg Allison ist ebenfalls Pastor der Sojourn Communtiy Church und Professor für Theologie am Southern Baptist Seminary in Louisville und ergänzt die praktische Erfahrung mit theologischen und biblischen Gedanken zu diesem Thema.

Gemeinsam versuchen sich die Autoren an einem Zwischenfazit dieser jungen und doch inzwischen gereiften Bewegung. Sie schreiben über Ihre eigenen Erfahrungen und wagen schlussendlich einen Blick nach vorne.

Dabei beschreiben sie auf der einen Seite die in der eigenen Praxis erlebten Chancen von Multisite. Auf der anderen Seite bringen die Autoren die nötige Skepsis gegenüber dem Multisite-Modell mit, die vor allem konservative evangelikalen Denominationen, wie der Southern Baptist Convention, eigen ist.

Denn trotz aller praktischer Vorteile und ihrer Erfolge ergeben sich bei Kirchen mit mehreren Standorten auch berechtigte Kritikpunkte und theologische Bedenken.

Ist nicht bereits ein Standort als eine Gemeinschaft aus Christen mit einer Leitung aus Pastoren bzw. Ältesten eine eigenständige Kirche? In welchem Umfang darf bzw. sollte diese lokale Kirche ihre Eigenständigkeit in Angelegenheiten wie Kirchenordnung, Finanzen und Leitung an eine übergeordnete Organisationsstruktur abgeben. Kann eine Kirche aus Christen bestehen, die sich überhaupt nicht oder nur unregelmäßigen und langen Abständen gemeinsam treffen? Neigen Multisite-Kirchen eher zu einem ungesunden Fokus auf die zentrale Führungsperson oder die „Marke“, unter der die Kirche auftritt?

Alle diese Einwände sind laut den Autoren durchaus berechtigt. Sie sollten uns allerdings nicht vorschnell das Multisite-Modell in seiner Gesamtheit ablehnen lassen. Stattdessen können wir diese Bedenken zum Anlass nehmen, uns darüber Gedanken zu machen, wie diesen Problemen im Kontext des Multisite-Modells begegnet werden kann.

Besonders bemerkenswert ist, dass die Autoren nicht schlicht zwischen Kirchen mit einem Standort und Kirchen mit mehreren Standorten unterscheiden. Stattdessen ordnen die Autoren verschiedene Ausprägungen von Multisite-Modellen zwischen der klassischen Kirche mit einem Standort („Pillar“) und einem Gemeindebund („Network“) ein. Dabei bewegen sich die verschiedenen Unterkategorien von einer Kirche mit lediglich mehreren Gottesdiensten („Gallery“), über eine Kirche mit mehreren kontextualisierten Standorten („Federation“), zu einer Kirche, in der mehrere Kirchen zusammenarbeiten („Collective“).

Aus dieser Kategorisierung und Unterteilung heraus argumentieren die Autoren, dass diejenigen Modelle, die sich in Nähe zum klassischen Netzwerk bzw. Gemeindebundes befinden, weniger anfällig für die verschiedenen Schwierigkeiten und Schwächen der Multisite-Bewegung. House und Allison werben deshalb für eine Form von Multisite – MultiCHURCH – die mehr auf die Zusammenarbeit von eigenständigen Kirchen setzt, Ressourcen teilt und nach außen als eine Kirche auftritt.

Die anschließende Ausbreitung dieses Konzeptes von Multisite, der Hindernisse und konkreten Schritte zur Umsetzung, insbesondere vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen in der Sojourn Community Church, zieht sich dann aber doch etwas.

Aus den einzelnen Kapiteln zu Kirchenverfassung, Finanzen oder Veränderungsprozessen lassen sich sicherlich wertvolle Lektionen und Prinzipien ziehen. Allerdings vertiefen sich die Autoren etwas zu sehr in die technischen Details, die entweder stark von der individuellen Situation abhängig sind oder einer längeren und eigenständigen Abhandlung bedürfen.

Zusammenfassend lässt sich allerdings sagen, dass trotz dieser Längen im zweiten Teil des Buches, Brad House und Gregg Allison erstens ein reflektierter und hilfreicher Überblick über die Multisite-Bewegung gelungen ist. Zweitens schaffen sie ein überzeugendes und detailliertes Plädoyer für die Zukunft von Multisite – MultiChurch.